Seilbahnchef schaltet Notbremsen ab

von Redaktion

Betreiber gesteht Manipulation – Drei Festnahmen nach Gondel-Absturz mit 14 Toten

Rom/Stresa – Immer mehr Details kommen nach dem tödlichen Seilbahnunglück am Monte Mottarone ans Licht. Der unbequeme Verdacht der italienischen Ermittler erhärtet sich: Der Mechanismus an der Gondel, der die Notbremse auslösen sollte, falls das Seil reißt, war wohl deaktiviert worden. Drei Tage nach dem Unglück mit insgesamt 14 Toten an dem Berg bei Stresa westlich des Lago Maggiore wurden in der Nacht zu Mittwoch laut Medienberichten drei hochrangige Vertreter der Seilbahn-Betreiberfirma Ferrovie del Mottarone festgenommen.

Firmenchef Luigi Nerini, Seilbahn-Direktor Gabriele Tadini und Seilbahn-Einsatzleiter Enrico Perocchio gaben nach Aussage des Carabinieri-Vertreters Alberto Cicognani zu, dass die Notbremse absichtlich ausgeschaltet worden war. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in dem Fall wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung.

In Italien durften Seilbahnen seit Samstag im Zuge der schrittweisen Lockerung von Corona-Beschränkungen durch die Regierung wieder Ausflügler transportieren. Die Ermittler gehen davon aus, dass es bereits eine geraume Zeit eine Störung an der Seilbahn gab, aber verhindert werden sollte, dass sich der Betrieb aus diesem Grund verlangsamt.

Der ermittelnden Staatsanwältin Olimpia Bossi zufolge wurde deshalb wohl eine Vorrichtung genutzt, mit der die Klemmbacken der Bremse an der Gondel auseinander gehalten wurden. Diese sollten eigentlich das Tragseil blockieren, falls das Antriebsseil reißt. Es habe offensichtlich Unregelmäßigkeiten an dem System gegeben und ein umfassender Eingriff wäre notwendig gewesen, erklärte Bossi weiter. Es habe sich um eine „absolut absichtliche“ Entscheidung gehandelt, die Klammer zu benutzen.

„Man wollte die Seilbahn in Betrieb halten, auch als sich das Problem offenbarte“, erklärte ein Kommandant der Carabinieri im Fernsehen. So konnten am Sonntag trotzdem Menschen bei bestem Ausflugswetter auf den Monte Mottarone transportiert werden, der für seinen Blick auf den Lago Maggiore bekannt ist. Die Untersuchungen, weshalb das Seil riss, laufen indes weiter. Heute wird ein Gutachter erwartet.

Viele blickten am Mittwoch auch nach Turin, wo der einzige Überlebende des Unglücks, ein kleiner israelischer Bub, weiter im Krankenhaus behandelt wurde. Der Fünfjährige hatte bei dem Unfall in der Region Piemont seine Eltern, seinen Bruder und zwei Urgroßeltern verloren. Am Mittwochmorgen hätten die Ärzte den Beatmungsschlauch entfernt, der Junge sei kurz bei Bewusstsein gewesen, sagte der Direktor des Krankenhauses. Dabei habe er auch kurz die Augen auf gemacht.

Der Bub habe aber noch unter dem Einfluss der Medikamente gestanden, erklärte der Direktor weiter. „Seine Tante und ein Psychologe waren bei ihm“. In den kommenden Stunden solle er weiter aus dem künstlichen Koma aufwachen können. Der Kleine und ein anderes Kind waren per Rettungshubschrauber nach dem Gondelabsturz schwer verletzt in die Klinik geflogen worden. Das andere Kind starb allerdings noch am Abend, wodurch sich die Zahl der Menschen, die bei dem Unglück starben, auf insgesamt 14 erhöhte. Der überlebende Fünfjährige wurde wegen seiner Frakturen umgehend operiert.

Die Särge mit den Leichen seiner Eltern, seines Bruders und seiner Urgroßeltern, die alle bei dem Unglück starben, wurden gestern nach Israel geflogen. Menschen lagen sich in den Armen, wie auf Fernsehbildern zu sehen war. Vor Ort wurde auch eine Zeremonie abgehalten.

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