Drei-Kind-Politik soll China retten

von Redaktion

Radikale Wende wegen starkem Geburtenrückgang und schneller Überalterung

Peking – China lockert seine umstrittene Familienpolitik und erlaubt Paaren künftig auch drei Kinder. Wegen des starken Geburtenrückgangs und der schnellen Überalterung der Gesellschaft beschloss das Politbüro der Kommunistischen Partei gestern eine „Optimierung der Geburtenpolitik“. Die Wende soll helfen, die Bevölkerungsstruktur zu verbessern und „aktiv“ auf die Überalterung zu reagieren, so die Nachrichtenagentur Xinhua. Experten zeigten sich allerdings skeptisch, ob die Drei-Kind-Politik erfolgreich wird.

Der Beschluss fiel nur drei Wochen nach der Veröffentlichung der jüngsten Volkszählung. So droht die 1,4 Milliarden zählende chinesische Bevölkerung in wenigen Jahren zu schrumpfen. Als Gründe nannten Experten die seit 1979 geltende Ein-Kind-Politik, die erst 2015 aufgehoben und durch eine Zwei-Kind-Politik ersetzt worden ist, sowie die hohen Kosten für Wohnraum, Ausbildung und Gesundheit. Auf der Sitzung des Politbüros unter Vorsitz von Staats- und Parteichef Xi Jinping wurden daher „unterstützende Maßnahmen“ für die Drei-Kind-Politik angekündigt. So soll die Gesundheitsversorgung vor und nach Geburten verbessert und ein universelles System zur Kinderbetreuung entwickelt werden, kündigte das Politbüro vage an. Die Kosten der Familien für Ausbildung sollen reduziert werden.

„Es ist notwendig, den Erziehungsurlaub, den Mutterschutz, die Vorteile bei Steuer, Wohnraum und durch andere Unterstützung zu verbessern und die legitimen Rechte und Interessen der berufstätigen Frauen zu schützen“, hieß es in dem Beschluss der Führung weiter.

Allerdings haben sich viele Chinesen längst daran gewöhnt, nur ein Kind zu haben. Fachleute hoben hervor, dass Chinas umstrittene Familienplanung, die durch radikale Maßnahmen das Bevölkerungswachstum bremsen sollte, das Verhalten radikal verändert habe. Heutige Eltern stammen meist auch aus Ein-Kind-Familien und finden es aus eigener Erfahrung nicht ungewöhnlich, nur ein Kind zu haben.

In den vergangenen zehn Jahren ist Chinas Bevölkerung aber nur noch um jährlich 0,53 Prozent auf 1,41178 Milliarden Menschen gewachsen – so langsam wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die seit 2015 verfolgte Zwei-Kind-Politik hatte nur im Folgejahr zu einem leichten Anstieg der Geburten geführt. Seither ist die Zahl jedes Jahr gefallen. 2020 ging die Zahl der Geburten nach offiziellen Angaben gar um 18 Prozent auf zwölf Millionen zurück.

Wie die Volkszählung auch zeigte, schreitet die Überalterung des Milliardenvolkes damit unaufhaltsam voran: Die Zahl der Chinesen über 60 Jahre ist seit 2010 um 5,44 Prozent auf 264 Millionen gestiegen. Knapp jeder fünfte Chinese (18,7 Prozent) ist heute schon älter als 60 Jahre, während die Bevölkerungsgruppe im arbeitsfähigen Alter weiter zurückgeht. Die Gruppe zwischen 15 und 59 Jahren verkleinerte sich um 6,79 Prozentpunkte auf einen Anteil von 63 Prozent.

Experten warnen, dass der Arbeitskräftemangel und die demografische Entwicklung die Volkswirtschaft bremsen werden. Immer weniger Werktätige müssen immer mehr alte Leute versorgen. So wird eine unpopuläre Anhebung des Rentenalters diskutiert. China hat weltweit eine der niedrigsten Altersgrenzen: Frauen können je nach Beruf mit 50 oder 55 Jahren in Rente gehen – Männer mit 60. Die Regelung stammt noch aus der Zeit, als die Lebenserwartung in der Volksrepublik niedrig war.

Die Fruchtbarkeitsrate ist auf 1,3 Kinder pro Frau gefallen. Das ist deutlich niedriger als die 2,1, die für eine stabile Bevölkerungszahl nötig wären. Die Zahl der Eheschließungen geht zurück, während die Scheidungsrate in China viel höher ist als etwa in Japan oder Südkorea.

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