Berlin – Wenig bringt das Internet zurzeit mehr in Wallung wie der „Woke-Wahnsinn“ rund um die Lieblingsspeisen. Mit „Woke“ werden Leute bezeichnet, die für sich ein „erwachtes“ Bewusstsein in Sachen Gerechtigkeit, Klimaschutz, diskriminierende Sprache oder auch Rassismus in Anspruch nehmen. Letzter Aufreger: Das künftig vegetarische Restaurant bei VW in Wolfsburg. Im Zuge des „Currywurst-Gate“, in das sich auch Altkanzler Schröder einmischte, als er gegen Veggie-Kost für „Arbeiter“ protestierte (#RettetDieCurrywurst), tauchte nämlich auch grundsätzliche Kritik am Begriff „Curry“ auf. Ist das vielfach verwendete Wort eine Verkürzung asiatischer Küche? Ist der Begriff gar rassistisch?
Beim Thema Ernährung hört der Spaß bekanntlich auf. Längst verläuft ein Riss durch die Gesellschaft, der öfter für hitzige Debatten rund ums Essen sorgt. Es geht um Klimaschutz, Fleischkonsum oder rassistische Namen für Schoko-Köstlichkeiten.
Ausgegangen ist die aktuelle Curry-Debatte – natürlich – von den USA: Die Food-Bloggerin Chaheti Bansal hatte kritisiert, dass im Westen alles Mögliche „Curry“ heiße, obwohl etwa in Indien die regionalen Spezialitäten alle 100 Kilometer wechselten und das Wort Curry wohl auf Kolonialherren-Bequemlichkeit zurückgehe. Prompt lag wieder der Rassismusvorwurf auf dem Esstisch. Und die Gegenkritik, nach der Aktivisten alles verbieten wollten.
Rassismus im Zusammenhang mit Essen kannte man in Deutschland bislang in erster Linie von den altbekannten Schokoküssen und ihrem früher gängigen Namen sowie von einer Schnitzel-Art und gleichnamigen Soßen.
Wir erinnern uns: 2020 kündigten viele Handelsmarken an, ihre „Z“-Saucen umzubenennen, etwa in „Paprikasauce Ungarische Art“. Der Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma begrüßte den Schritt. Der Begriff „Zigeuner ist eine von Klischees überlagerte Fremdbezeichnung der Mehrheitsgesellschaft, die von den meisten Angehörigen der Minderheit als diskriminierend abgelehnt wird“. Mit Wohlwollen könnte man zwar den Schlager „Zigeunerjunge“ von 1967 anbringen, doch sehen den viele als Verkitschung von oben herab.
Immer mehr Produkte geraten in den Fokus von Problematisierern. So wird auch die „Pizza Hawaii“ mit Ananas ins schlechte Licht gerückt. Der Name sei mit einer „Geschichte des Kolonialismus verbunden“, hieß es bei der Gruppe PoC/Migrantifa. Die Inseln Hawai’i seien kriegerisch von den USA annektiert worden. Die Bevölkerung sei von weißen Siedlern mit dem Ananas-Anbau ausgebeutet worden.
Apropos Pizza: Der Pizza-Klassiker mit Tomate, Mozzarella und Basilikum ist nach Italiens Königin Margarethe (1851-1926) benannt, die antiparlamentarisch eingestellt war. Sie galt als Unterstützerin des späteren Diktators Mussolini. Ist „Pizza Margherita“ also eine Faschistenspeise? Auch aus „Uncle Ben’s Reis“ wird bald „Ben’s Original“. Das Bild des schwarzen „Onkels“, der für den Reis warb, soll verschwinden.
Dass vielen solche Debatten absurd und besserwisserisch vorkommen, ist wohl klar. Der Gesundheits- und Ernährungspsychologie Cristoph Klotter sagte der „Welt“: „Es gibt leider manchmal die Tendenz, dass sozial besser- gestellte sich regelrecht über andere Menschen erheben.“