Darum trägt man Eulen nach Athen

von Redaktion

Neues Duden-Buch „Phönix aus der Asche“ erklärt europäische Sprichwörter

Berlin/Bamberg – Im Deutschen regnet es keine Hunde und Katzen wie im Englischen, sondern Bindfäden – oder es gießt wie aus Eimern. Fast alle lernen in der Schule, Redensarten niemals wörtlich in Fremdsprachen zu übersetzen, weil es dann falsch und peinlich werde. Doch es gibt auch hunderte Redensarten, die sich in vielen Sprachen ähneln. Das neue Duden-Buch „Phönix aus der Asche: Redensarten, die Europa verbinden“ von Rolf-Bernhard Essig bringt Licht ins Dunkel. Die Liste des Autors aus Bamberg scheint unerschöpflich: von der „Achillesferse“ bis zum „zweischneidigen Schwert“.

Und auch Katz und Hund kommen wieder ins Spiel. Denn in dutzenden Sprachen gibt es laut „Sprichwörter-Papst“ Essig das Verhalten „wie Hund und Katze“. Kein Wunder eigentlich, wenn man die Tiere mal zusammen beobachtet hat. Meist beäugen sie einander skeptisch.

Sein Buch wolle ein heiterer Weckruf gegen Europamüdigkeit sein, schreibt Essig im Nachwort. „Wenn Sie dann noch einige der hier ausgebreiteten Sprichwort-Geschichten behalten hätten, könnten Sie damit bei jedem Small Talk auftrumpfen – ob in Tirana, Sofia, Brindisi, Warschau, Edinburgh, Rejkjavik, Göteborg …“

Der Germanist und Historiker Essig ist Kolumnist bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und hat eine MDR-Radiorubrik zu Redensarten.

In 36 Sprachen sehe man „den Wald vor lauter Bäumen“ nicht, weiß er. Fast alle Europäer wüssten, „wo sie der Schuh drückt“ oder vergössen schon mal geheuchelte „Krokodilstränen“. Die Geistesverwandtschaften rühren zum Beispiel von der griechischen Mythologie her („Trojanisches Pferd“, „Büchse der Pandora“) – oder aus der Bibel („Tanz ums Goldene Kalb“). Fachbegriffe, Figuren und Eigenheiten stammten auch aus Theater, Film, Spiel und Sport.

„Märchen, Sprichwortweisheiten und literarische Werke wanderten munter über die Grenzen hinweg und brachten stehende Wendungen mit. Historische Ereignisse prägten Europa, die nicht selten – auf lehrreiche Formeln verkürzt – allgemein beliebt wurden.“

Man denke etwa an den „Pyrrhussieg“ (vor 2300 Jahren ein teuer erkaufter Kriegserfolg), den „Gang nach Canossa“ (vor 945 Jahren der erniedrigende Bittgang von Heinrich IV. zum Papst) oder an „Waterloo“ (vor 206 Jahren der Ort der letzten Schlacht von Napoleon in der Nähe von Brüssel). Das Wort „Boykott“ geht etwa auf den englischen Grundstücksverwalter Charles Cunningham Boycott zurück, gegen den in Irland um 1880 herum geschäftsschädigend vorgegangen wurde.

Autor Essig dankt im Buch der Sprachwissenschaftlerin und Forscherin Elisabeth Piirainen (1943–2017), weil sie wie kaum jemand sonst über viele Jahre Idiome, weit verbreitete Redensarten, ihre Hintergründe und Bedeutungen gesammelt und aufbereitet habe.

Besonders alt ist bei alledem der Ausdruck „Eulen nach Athen tragen“ für überflüssige Handlungen und Gedanken. Die Schutzgöttin Athene wurde schon früh mit Eulen als Tier der Weisheit abgebildet. Auf dem Akropolisfelsen lebten auch reichlich Steinkäuze. „Die Athener besaßen in der Antike Silbergruben und waren längere Zeit von jeder Steuer befreit, bekamen immer wieder sogar Überschüsse der Staatskasse ausgezahlt. Deshalb sprach man damals davon, dass es sinnlos und dumm sei, noch mehr Münzen, die man wegen des Bildes darauf „Käuze“ oder „Eulen“ nannte, in die reiche Stadt zu bringen.“

Die Redensart gibt es im Griechischen und Deutschen und auch auf Französisch, Italienisch, Schwedisch, Holländisch, Polnisch, Slowakisch und Tschechisch. Ähnliche Bild-Ideen existieren im Englischen („carry coals to Newcastle“/Kohlen nach Newcastle tragen) oder auf Spanisch („echar agua al mar“/Wasser ins Meer gießen). GREGOR THOLL

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