München – Schwerelosigkeit lässt nicht nur Muskeln und Knochen schwinden: Sie verursacht auch im Gehirn Veränderungen. Münchner Forscher haben nun Hinweise gefunden, dass diese schädlich sind. Die Suche nach einer Lösung für das Problem läuft – auch wegen möglicher Mars-Missionen.
Der Studie zufolge können besonders lange Aufenthalte im All Schäden im Gehirn auslösen. Die Ergebnisse einer Blutuntersuchung von Raumfahrern deuteten auf eine leichte, aber anhaltende Hirnverletzung und eine schnellere Alterung des Gehirns bei der Rückkehr zur Erde hin, teilte die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München mit. Mögliche Ursache sei ein gestörter Blut-Abfluss aus dem Kopf in der Schwerelosigkeit. Dieser könne im Lauf der Zeit zu einem Druckanstieg im Nervenwasser führen. Die Studie veröffentlichte das Forscherteam in der Fachzeitschrift „Jama Neurology“.
Dass längere Reisen in den Weltraum bei Menschen nicht nur Knochen schwinden lassen, sondern sich auch auf deren Gehirne auswirken, hatten Studien demnach schon zuvor angedeutet. Unklar war nach Angaben der Forscher aber bisher, ob die Vorgänge schädlich sind. Um das herauszufinden, untersuchten die LMU-Mediziner Peter zu Eulenburg und Alexander Choukér mit Kollegen in Schweden und Russland das Blut fünf russischer Raumfahrer, die gut fünfeinhalb Monate in der internationalen Raumstation ISS verbracht hatten.
Dabei wiesen die Forscher nach, dass mehrere Kennproteine für Alterung und Verletzungen des Gehirns direkt nach Rückkehr aus dem All deutlich anstiegen. Das gelte vor allem für die erste Woche nach der Rückkehr.
Um bei Langzeit-Missionen wie einer Reise zum Mars die Risiken für Raumfahrer so gering wie möglich zu halten, seien „umfassendere Studien mit vorbeugenden Maßnahmen gegen den Druckanstieg im Kopf unbedingt notwendig“, sagte LMU-Mediziner Peter zu Eulenburg.
Ob die Veränderungen im Gehirn auch zu Einschränkungen der Betroffenen führen, sei mit der Studie aber noch nicht geklärt: „Ein Biomarker im Blut sagt noch nichts über klinische Beschwerden“, sagte der Direktor des Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Jens Jordan,
Die Raumfahrtagenturen Nasa und Esa arbeiten laut Jordan an Gegenmaßnahmen. Unter anderem werde untersucht, ob eine Zentrifuge für Raumfahrer mit künstlicher Schwerkraft helfen könnte. Aktuell laufe zudem eine Studie über die Wirksamkeit von Unterdruck in der unteren Körperhälfte zum Abfluss von Flüssigkeiten. „Das ist eine der medizinischen Herausforderungen der Raumfahrt“, sagte Jordan.
Unterdessen war auf dem Weg zum All am Wochenende wieder einiges los: Mit der Nasa-Sonde „Lucy“ ist erstmals ein Raumfahrzeug zu den Asteroiden des Jupiters aufgebrochen. Mithilfe einer „Atlas V“-Rakete startete „Lucy“ am Samstag vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida. Kurz danach twitterte die Nasa: „Lucy in the sky!“ Die Mission ist auf zwölf Jahre angelegt, insgesamt soll „Lucy“ rund 6,5 Milliarden Kilometer zurücklegen.
Von China aus startete die bislang längste bemannte Weltraummission des Landes: Drei chinesische Taikonauten haben am Samstag mit ihrem Raumschiff die Raumstation „Tiangong“ („Himmlischer Palast“) erreicht. Das Team soll ein halbes Jahr im Kernmodul der im Bau befindlichen Raumstation arbeiten. Die Volksrepublik hat in den vergangenen Jahren Milliardensummen in seine Raumfahrtprogramme gesteckt. Das Kernmodul der Raumstation war erst Ende April in seine Erdumlaufbahn gebracht worden. Chinas Raumfahrtambitionen wurden zum Teil durch ein US-Verbot für chinesische Raumfahrer auf der Internationalen Raumstation ISS befeuert. Die ISS wird in Kollaboration von den USA, Russland, Kanada, europäischen Staaten und Japan betrieben.