Berlin – Mit wenigen Klicks zum neuen Winterpulli, für ein paar Euro zum aktuellsten Sportgerät oder Möbel-Schnäppchen – Shoppen ist in der digitalen Welt noch bequemer und vielfach auch günstiger geworden. Oft wird nicht lange überlegt, viele Kaufentscheidungen werden fast beiläufig getroffen. Doch Experten warnen: Maßloses Kaufverhalten zerstört unseren Planeten. Der kanadische Umweltjournalist James Bernard MacKinnon etwa mahnt in seinem Buch „Der Tag, an dem wir aufhören zu shoppen“, der Konsum habe das Bevölkerungswachstum als größte Bedrohung für die Umwelt überholt. Warum aber shoppen viele Menschen so gern? Und wie kann reduzierter Konsum gelingen?
Konsum hat aus Sicht der Diplom- und Wirtschaftspsychologin Petra Jagow in unserer Gesellschaft einen sehr hohen Stellenwert: „Oft gilt: Ich kaufe, also bin ich“. Für viele bedeute das Einkaufen eine Aufwertung des eigenen Alltags, eine Möglichkeit der Unterhaltung und Ablenkung. Der Gedanke, immer die neueste Mode, das schickste Auto und die modernste Innenausstattung haben zu wollen, entstehe durch das grundlegende Bedürfnis, sich selbst aufwerten zu wollen, erklärt Marktforscherin Jagow. Umweltpsychologe Frank Esken erklärt, entwicklungspsychologisch sei der Wunsch nach Anerkennung durch andere beim Menschen stark verankert. „Wir haben immer die Gesellschaft um uns herum, an der wir uns orientieren.“
Stelle man nun Nachhaltigkeit in den Fokus, bedeute das Veränderung und Verzicht, sagt Jagow. „Verzicht fällt uns allen schwer, freiwilliger Verzicht noch mal mehr.“ Klimafreundliches Konsumverhalten sei für die meisten nur dann attraktiv, wenn die nachhaltige Alternative als ebenso gut wahrgenommen würde – und als Zusatz noch ein gutes Gefühl entstehen lasse, weil man beispielsweise durch sein verändertes Verhalten etwas für die Menschen in den Fabriken in den produzierenden Ländern tut.
Experten sind sich einig: Ohne Minus beim Shoppen lassen sich Klima und Umwelt schwerlich schützen. Wie gravierend die Folgen des Verzichts allein in der Textilindustrie für das Klima wären, hebt Umweltjournalist Mac Kinnon hervor: „Würde die weltweite Textilproduktion für ein Jahr eingestellt, so bewirkte dies genauso viel wie ein Stopp des gesamten Flugverkehrs und der Güterbeförderung auf dem Seeweg für den gleichen Zeitraum.“
Um sich vom Konsumdrang zur eigenen Aufwertung frei zu machen und sich mit weniger wohlzufühlen, dürfe man sich nicht mehr so stark mit anderen und ihren Besitztümern messen, so Hochschulprofessor Esken. Das scheint leichter gesagt als getan, obwohl zahlreiche Studien seit Langem zeigen, dass materialistische Werte keine geistige Gesundheit, keine dauerhafte Geborgenheit, Zufriedenheit oder Glück fördern. Die Experten kommen zum Schluss: Bei uns selbst braucht es eine gesteigerte Wertschätzung unserer Sachen, um sie nicht jede Saison durch neueste Modelle zu ersetzen. Jagow empfiehlt, vorm Shopping ganz bewusst den Kleiderschrank durchzusehen. „Dann merke ich, was ich eigentlich alles noch habe und dass das für die nächste Saison oft noch völlig ausreichend ist.“
Doch auch auf gesellschaftlicher Ebene müsse ein Wertewandel stattfinden, sagt Esken. Nötig sei ein Umdenken, dass materielle Besitztümer nicht die einzigen Werte seien, die jemanden im Ansehen anderer Menschen förderten. „Auch Umweltbewusstsein könnte ein Statussymbol werden.“ Expertin Jagow betont, wie wichtig es sei, sich darauf zu besinnen, dass letztlich jede und jeder selbst entscheide, wie sich Selbstwert definiere: „Ich lege fest, ist mein Selbstwert von Statussymbolen abhängig oder nicht.“ Ihrer Meinung nach festige sich der Trend, dass Kommerz nicht automatisch Stärke symbolisiert. „Da findet eine Umwertung statt.“