Stockholm – Der pure Zufall war ausschlaggebend. Ausgerechnet Schwedens Ministerpräsidentin von der gewerkschaftsnahen Arbeiterpartei ließ eine sich illegal im Lande aufhaltende Migrantin ohne Arbeitstarifvertrag bei sich zu Hause sauber machen. Von ihren Toiletten bis zum Arbeitszimmer hatte die junge Frau unkontrollierten Zugang zu allen Räumen.
Die frischgebackene und eigentlich sehr beliebte Premierministerin Magdalena Andersson gibt sich in einem schriftlichen Kommentar ganz unschuldig. „Ich gehe jetzt davon aus, dass die zuständigen Behörden der Sache auf den Grund gehen und aufklären werden, was passiert ist“, schreibt sie. Laut der schwedischen Zeitung „Expressen“ löste eine Reinigungsfirma, die mit der Reinigung von Anderssons Haus im schicken Stockholmer Nahvorort Nacka beauftragt war, versehentlich einen Einbruchsalarm aus.
Als die Polizei am Haus eintraf und die Personen überprüfte, wurde eine Frau, die keine Aufenthaltsgenehmigung hatte und gesucht wurde, festgenommen. Nach Angaben von „Expressen“ hatte das Unternehmen auch keinen Tarifvertrag. „Es handelt sich hier um einen laufenden Einbruch. Dann wurde eine Person überprüft, und es stellte sich heraus, dass die Person eine Abschiebungsanordnung hatte. Dann wurde der Fall der Migrationsbehörde zur weiteren Bearbeitung übergeben“, so Tommy Kalenius, Polizeibeamter in Nacka, gegenüber der Zeitung. „Ich habe alle Kontakte mit der Reinigungsfirma beendet. Sie haben die Frage, ob sie einen Tarifvertrag haben, mehrfach bejaht“, beteuert Andersson.
Neben viel Kritik an Andersson werden nun auch die noch immer schwedentypisch laschen Sicherheitsvorkehrungen im Umfeld der Staatsführung infrage gestellt. Bereits Ministerpräsident Olof Palme (1986) und Außenministerin Anna Lindh (2003) starben, weil sie keinen Wachschutz hatten. Selbst Jahre nach Lindhs Ermordung wurde bekannt, dass Sicherheitsvorkehrungen für Kabinettsmitglieder in ihrer Freizeit im Vergleich zu anderen EU-Ländern kaum gegeben sind. Vertrauen kommt in Schwedens traditionell vor Kontrolle.
ANDRÉ ANWAR