Rom – Italienisches Essen in Deutschland hat eine lange Tradition. Francesco Antonio Cuneo eröffnete bereits 1905 im Hamburger Stadtviertel St. Pauli das erste italienische Ristorante in Deutschland. 1952 machte Nicolino di Camillo in Würzburg die erste Pizzeria, die „Blaue Grotte“ auf. Es war die Zeit, als viele Deutsche infolge des sogenannten Wirtschaftswunders erstmals nach Italien reisten. Die italienische Küche etablierte sich dann immer mehr auch hierzulande. 1970 brachte Dr. Oetker die erste Tiefkühlpizza auf den Markt.
Heute sind Spaghetti in beinahe jeder Vorratskammer zwischen Berchtesgaden und Flensburg fest etabliert. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Umgang der Liebhaber der italienischen Küche auch den Gepflogenheiten entspricht, wie sie sich die Hüter der italienischen Küche vorstellen. Dabei dürfte es sich geschätzt um 59 Millionen Italiener handeln, also die Gesamtbevölkerung. Essen ist in Italien eine heilige Angelegenheit. Kein Volk verliert mehr Worte über Zubereitung von Delikatessen, über Feinheiten und tauscht sich mehr über kulinarische Erfahrungen aus. In Deutschland und anderswo beneidet man die Italiener darum, hält sie deshalb manchmal auch für ein bisschen exotisch.
Während Pizza und Pasta einen Siegeszug um die ganze Welt angetreten haben, ist das allerdings von Labskaus, Spätzle oder Zwiebelrostbraten nur bedingt zu behaupten. Das britische Marktforschungsinstitut YouGov erklärte die italienische Küche 2018 zur beliebtesten der Welt. Nun wollte das Umfrageinstitut etwas genauer wissen, wie die Welt es mit dem italienischen kulinarischen Erbe hält.
In Italien wurde unlängst bereits in einigen spektakulären Fällen die unzureichende Zubereitung von Spaghetti Carbonara bemängelt. Der britische Chefkoch Gordon Ramsey etwa wurde kritisiert, weil er Erbsen in die Carbonara gab sowie das Eintauchen von Pizza-Stücken in Ketchup empfahl. In Neapel könnte solches Verhalten fatale Folgen haben. YouGov ließ nun den Umgang mit der italienischen Küche in 17 Ländern überprüfen, darunter auch in Italien. Dabei wurden 19 Arten, sich an der italienischen Küche zu vergehen, zur Debatte gestellt. Insgesamt wurden knapp 20 000 Menschen befragt. Gegen einige angebliche Vergehen haben die Italiener selbst der Umfrage zufolge nichts. Sie finden es in Ordnung, mittags Pizza zu essen. Die angebliche Aversion gegen mittägliche Pizza könnte darin begründet liegen, dass die Inbetriebnahme eines Holzofens sehr aufwendig ist und deshalb traditionell erst abends erfolgt. Auch Bolognese mit Spaghetti finden Italiener o.k, bei ihnen heißt das allerdings „Pasta con ragù“. Ob man die Spaghetti vor dem Kochen brechen oder sie in ungesalzenes Wasser geben darf, sind zu vernachlässigende Fragen.
Auch über die Frage, ob nach dem Essen noch ein Cappuccino zu trinken ist, der in Italien meistens morgens konsumiert wird, herrscht unter Italienern kein eindeutiges Meinungsbild. Um kulinarische Todsünden oder gar „Verbrechen gegen die italienische Küche“ handelt es sich hingegen in einigen wenigen Fällen. Eines der schlimmsten Vergehen ist für Italiener, den Nudeln Ketchup statt Tomatensauce beizumischen, 89 Prozent der Befragten bezeichneten dies als „inakzeptabel“. Indonesier (84 Prozent), Chinesen, Schweden und Dänen (71 Prozent) hingegen halten diese Unsitte für praktikabel, auch unter Deutschen ist Ketchup mit Pasta verbreitet (52 Prozent).
77 Prozent der befragten Italiener halten es zudem für unverzeihlich, Ananasstückchen auf der Pizza zu platzieren. Bei diesem Vergehen mit dem Namen „Pizza Hawaii“ stechen auch die Deutschen besonders hervor, 59 Prozent der Befragten halten diese Praxis für rechtens. Italiener mögen es außerdem nicht, wenn ihre Pasta als Beilage herabgewürdigt wird (72 Prozent). Dem Autor ist es noch in plastischer Erinnerung, als vor Jahren eine deutsche Bekannte vor italienischem Freundeskreis Spaghetti zum Wiener Schnitzel bestellte. Wie gesagt ist auch die Beigabe von Sahne in die nur mit Ei und Parmesankäse herzustellende Carbonara-Sauce ein No-Go für 68 Prozent der Befragten in Italien. Die Deutschen haben da andere Vorstellungen, 63 Prozent der Befragten finden diese Praxis akzeptabel. Letztendlich darf ja auch jeder essen, wie er mag. Ist er auf Anerkennung und Originalität aus, sollten er oder sie es in manchen Fällen halt nicht zu sehr an die große Glocke hängen. JULIUS MÜLLER-MEININGEN