Köln – Überschattet von der Ukraine-Krise hat in Köln am Donnerstag der Straßenkarneval begonnen. Wenige Stunden nach dem Angriff russischer Truppen auf die Ostukraine feierten und schunkelten an Weiberfastnacht zehntausende kostümierter Jecken in der Domstadt, vor Kneipen bildeten sich schon morgens teils lange Schlangen.
„Mir ist wirklich nicht zum Feiern zumute, aber weder ich noch das Festkomitee können und wollen den Karneval absagen“, sagte Oberbürgermeisterin Henriette Reker bei einem Empfang im Rathaus. „Jede und jeder muss das für sich selbst entscheiden, ob das der richtige Augenblick ist zu feiern.“
Aus Sicht des Festkomitees Kölner Karneval wäre eine Absage „das falsche Signal“ und organisatorisch so kurzfristig auch nicht möglich. Sicherlich gehe das Geschehen in der Ukraine nicht spurlos an den Karnevalisten vorüber. „Aber wir haben gerade auch in der jüngeren Vergangenheit gelernt, dass der Karneval in Krisenzeiten eine wichtige Funktion für die Menschen hat. Sich die Grenzen des Frohsinns von einem Despoten diktieren zu lassen, entspricht nicht dem Gedanken des Fastelovends, in dem Freiheit und Gleichheit an oberster Stelle steht“, teilte das Festkomitee mit. Fastelovend bezeichnet den traditionellen Karneval im Rheinland.
Das WDR Fernsehen übertrug die Eröffnung live und kündigte an, bei der Karnevalsberichterstattung „die Tonalität der aktuellen Situation“ anzupassen. „Die Sendung wird in ihrem Charakter die Ambivalenz der Ereignislage abbilden und über weitere Entwicklungen informieren“, teilte der WDR mit. Der Radiosender WDR 4 stellte die geplante Live-Strecke zum Karneval am Morgen ein. Der Lokalsender Radio Köln änderte sein Programm und sendete seit 8 Uhr keine Karnevalsmusik mehr. „Wir können nicht über den Krieg berichten und drumherum Karnevalsmusik senden“, sagte Chefredakteurin Claudia Schall.
Laut Corona-Schutzverordnung ist das Karnevalfeiern in Nordrhein-Westfalen draußen in sogenannten Brauchtumszonen unter 2G-plus-Bedingungen erlaubt. Köln hat für die Karnevalstage das gesamte Stadtgebiet zur „Brauchtumszone“ erklärt, sodass für Karnevalisten überall im öffentlichen Raum 2G-plus gilt. Das heißt: Genesene oder zweifach Geimpfte brauchen einen aktuellen negativen Test oder eine dritte Impfung (Booster).
In Kneipen müssen auch Geboosterte einen aktuellen Schnelltest vorweisen. Bei Verstößen drohen saftige Bußgelder. Das Ordnungsamt soll die Einhaltung der Regeln stichprobenartig kontrollieren.
Am Nachmittag dann – auch aufgrund heftiger Kritik – die Kehrtwende: Dann sagte das Festkomitee Kölner Karneval wegen des Ukraine-Kriegs doch das ursprünglich für Montag geplante Rosenmontagsfest mit einem Umzug im Rheinenergiestadion ab. Stattdessen werde man eine Friedensdemonstration mit Persiflage-Wagen auf Plätzen in der Kölner Innenstadt organisieren. Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sprach sich dafür aus, Karnevalsumzüge abzusagen. „Krieg und Karneval in Europa passen nicht zusammen“, sagte Wüst.