Was tun, wenn die Kriegsangst überwältigend wird?

von Redaktion

Calw – Der Krieg in der Ukraine beschäftigt die Menschen sehr – einige werden krank dadurch, wie Psychologin Susanna Hartmann-Strauss feststellt. „Zum einen Leute, die an eigene Erlebnisse erinnert werden, also Personen, die selbst Kriege erlebt haben.“ Traumatische Erfahrungen würden dadurch verstärkt und starke Ängste reaktiviert. Aber auch junge Menschen belaste der Krieg in der Nachbarschaft zunehmend.

Dabei ist Angst erst mal etwas Gutes, wie Psychologie-Professor Jürgen Margraf von der Uni Bochum sagt. Angst warne vor Gefahr – und zwar so schnell, dass man es gar nicht bewusst mitbekommt. Der Herzschlag fährt hoch, man kann beispielsweise besser laufen. Es gehe um schnelles Handeln, um auf eine gefährliche Situation zu reagieren. In einem brenzligen Moment pumpt Adrenalin durch den Körper.

Angst entsteht aber auch, wenn abstrakte Werte wie Sicherheit oder Frieden bedroht sind. Die damit verbundene Anspannung wird u. a. über ein anderes Stresssystem reguliert, das über längere Zeit und nicht in einer brenzligen Situation aktiviert wird. Führend hier ist das Stresshormon Kortisol.

Dass Menschen auch in Deutschland angesichts der Bilder und der Nachrichten aus der Ukraine Angst verspüren, halten die Fachleute für völlig normal. „Wir sind soziale Wesen – viel sozialer, als uns klar ist“, sagt Margraf. Ein wichtiger Faktor sei das Unvorhersehbare: „Wir fürchten übertrieben alles, was unbekannt ist.“ Durch den Krieg schalten Körper und Geist in einen latenten Alarmzustand.

Angst ist psychisch belastend, und leidvoll wird sie dann, wenn sie überhandnimmt, unangemessen stark ist oder lange anhält. Experten stellen dies anhand standardisierter Fragebögen fest. Für den Einzelnen ist das oft schwer einzuschätzen. Hinweise sind laut Margraf, wenn die Angst das Leben einschränkt, alltägliches Handeln vermieden wird oder sie Leiden verursacht. Als Gegenmaßnahmen raten die Experten u. a., sich Zeitfenster zu nehmen, in denen man sich über den Krieg informiert. „Sie dürfen darüber nachdenken, aber es sollte produktiv sein“, sagt Margraf. Niemand brauche zwei Stunden Sondersendungen-Dauerschleife.

Wichtig sei, eine möglichst sinnvolle Ablenkung zu finden. Das könne vom Spiel mit den Kindern bis zur Steuererklärung reichen. Dadurch werde die Angst in den Hintergrund gedrängt. Und man solle positive Dinge suchen und weiterhin Schönes erleben. „Man darf lachen und Freude haben, obwohl da Krieg ist.“

Psychologin Hartmann-Strauss gibt den Tipp, gerade bei Kindern Routinen einzuhalten. Und man könne schauen, wie man selbst konstruktiv handeln kann: „Wie kann ich helfen? Wie kann ich Solidarität zeigen?“ Wichtig sei es, Ängste anzuerkennen, dann auszusprechen und mit anderen zu teilen. Denn Angst, die nicht artikuliert werde, nehme irrationale Züge an und führe dazu, sich noch hilfloser zu fühlen.

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