Wie stark verändert ein hohes Amt einen Menschen? Auch rein äußerlich haben sich Annalena Baerbock (41) und Robert Habeck (52) nach ihrer Wahl zur Außenministerin und zum Vize-Kanzler verändert. Der einstigen Strickpulli- und Blümchenkleid-Romantik als Grünen-Abgeordnete hat ein souveräner Kleidungsstil Platz gemacht. Wem dieser Schritt besser gelungen ist, was ihre Kleidung jetzt aussagt und bedeutet, das analysieren für die tz zwei Münchner Stil- und Imageberatinnen. Die Zwillinge Lena Frank und Nina Stowasser (Style-Advisor.de) beraten täglich Frauen und Männer ins Führungspositionen.
Wie gefällt Ihnen Annalena Baerbock?
Lena Frank und Nina Stowasser: Gut, sie hat eine feminine Note, die sie auch schon früher hatte. Wenn man die Bilder vor ihrem Amt als Außenministerin betrachtet, sieht man, dass sie schon immer gerne Kleider getragen hat. Doch seit ungefähr sechs Monaten sieht man auch: jemand hat mit ihr gearbeitet, ein Stylist oder Imageberater. Auf dieses Level kommt man nicht von alleine.
Was hat sich verändert?
Sie nutzt zum Beispiel die Wirkung der Farben. Weiß ist friedlich, Blau ist die Hoffnung, Rot kann Macht, Liebe, aber auch Aggression bedeuten. Und sie trägt auch die Modefarbe 2022, gewählt vom Farbinstitut Pantenone, es ist ein Lila, eine Mischung aus Blau und Rot.
Ähnlich dem Kleid, welches sie zur viel beachteten Rede vor der UN trug.
Es war perfekt für den Auftritt. Ein rotes Kleid wäre zu aggressiv gewesen. Blau strahlt Ruhe, Gelassenheit und auch Hoffnung auf. Die langen Ärmel sind seriös. Nackte Arme trägt man nur am Abend, früher hat sie das öfters auch tagsüber getragen, jetzt nicht mehr.
War das Kleid nicht zu lang?
Nein, es ist modern. Und besser zu lang als zu kurz. Alles was zu kurz ist, das heißt über dem Knie, ist im Business tabu, es ist zu teenagerhaft. Außerdem: wenn man sitzt, rutscht der Saum ja auch noch nach oben.
Wie beurteilen Sie ihren früheren Kleidungsstil?
Da war ihr Outfit quadratisch, praktisch, gut. Es war in Ordnung, ein typisch deutsches Outfit. Aber da gab es keine Aussage.
Aber sie hat doch gern und viel Muster getragen?
Das wirkt auf Fotos schnell zu unruhig. Der Hintergrund und das Muster verschwimmen, das Auge hat nichts, woran es sich festhalten kann. Wenn sie keine Muster trägt, sondern nur Farbe, dann ist sie im Fokus. Dann ist sie die Hauptperson.
Und sie hat sich von ihren Lederjacken getrennt…
Eine Lederjacke ist casual, ist leger. Eine Lederjacke gibt einem Sicherheit, gerade wenn man noch nicht so gut ist im Stylen, es ist wie eine Rüstung.
Sie hat früher auch gern farbige Schuhe getragen…
Das machen viele. Es ist das erste Element, was man verändert, wenn man einen Akzent setzen möchte, sich aber noch nicht so recht traut oder es nicht kann. Dann greift man zu den Schuhen, um etwas Besonderes hinzuzufügen. Es war der erste Schritt in die Richtung, die sie jetzt immer mehr verfolgt.
Kommen wir zu Robert Habeck. Gerade neben Baerbock wirkt er nicht so gut angezogen.
Sie hat sich schick gemacht, bei ihm hängt das Hemd über der Hose. Zu lässig.
Warum?
Man könnte es in einem Satz beantworten. Weil er ein Mann ist! Er kann es sich leisten so zu bleiben, wie er ist. Er hat sich noch nicht angepasst. Er trägt so gut wie nie eine Krawatte. Und wenn, dann eine blaue. Damit geht er auf Nummer sicher. Dunkler Anzug, blaue Krawatte, damit kann man nichts falsch machen.
Seine Hemden trägt er nicht nur gern über der Hose, sondern krempelt auch gern die Ärmel hoch…
Damit wirkt er nah an den Menschen, es zeigt, wir packen es an. Wir denken, er behält das Image bewusst bei. Ähnlich wie Apple-Gründer Steve Jobs, der immer, wirklich immer schwarzen Rollkragenpullover trug. Simpel aber überzeugend.
Habeck trägt bevorzugt dunkle Hemden und Jeans. Was heißt das?
Braun steht für Beständigkeit. Früher trug auch Baerbock viel Schwarz und Braun. Aber damit kommt man nicht weit, es ist eine eher ländliche Farbe.
Was geht nicht im Business?
Durchsichtige Materialien, Muster sind schwierig, wenn sie zu groß sind, wirken sie schnell unglaubwürdig. Zu eng dürfen die Sachen auch nicht sein, weder bei Frauen noch bei Männern. Auch zu tiefe Ausschnitte oder zu weit aufgeknöpfte Hemden sind tabu.
Interview: Maria Zsolnay