Kingston – Zig Kinderhände strecken sich durch einen Maschendrahtzaun am Rande eines Fußballfelds in der jamaikanischen Hauptstadt Kingston. Ihnen gegenüber stehen, durch den Zaun von den Kindern getrennt, der britische Prinz William und seine Frau Herzogin Kate. Sie winken und grüßen freundlich, schütteln die eine oder andere Hand.
So herzlich die Begegnung gewesen sein mag, die Bilder davon verstärkten den Eindruck, dass die britischen Royals nur wenig Gespür dafür haben, wie sich das Selbstbewusstsein der Nachfahren von einstigen Sklaven in ihrem früheren Empire entwickelt hat. William (39) und Kate (40) wirkten zwar huldvoll, aber doch distanziert und erhaben über die Untertanen.
Das Paar reist seit vergangenem Samstag im Auftrag von Queen Elizabeth II. (95) anlässlich von deren 70. Thronjubiläum durch mehrere Karibikländer. Die achttägige Reise des wohl künftigen britischen Königs und seiner Frau, die am Wochenende zu Ende ging, war eigentlich als Charmeoffensive gedacht. Nachdem sich die frühere Kolonie Barbados im vergangenen Jahr zur Republik erklärt hatte, geht im Buckingham-Palast die Angst um, das Herrschaftsgebiet der Queen könne immer kleiner werden.
„Wir unterstützen mit Stolz und Respekt Ihre Entscheidungen über Ihre Zukunft“, betonte Prinz William auf einem Empfang am Freitag in Nassau, der Hauptstadt der Bahamas. „Beziehungen entwickeln sich. Freundschaft bleibt.“ Dennoch: Obwohl die Royals an ihren Reisezielen Belize, Jamaika und Bahamas mit viel Wärme empfangen wurden, gab es auch Proteste und kritische Zwischentöne.
In Jamaika, auf dessen Zuckerplantagen früher aus Afrika verschleppte Menschen zu Hunderttausenden schuften mussten, versuchte sich William mit einer Annäherung an das Thema. Er stimme seinem Vater zu, der im vergangenen Jahr in Barbados die Sklaverei als „entsetzliche Grausamkeit, die unsere Geschichte für immer befleckt“ bezeichnet habe, sagte der Zweite in der britischen Thronfolge bei einem Staatsbankett. Doch kein Wort der Entschuldigung.
„Die Königsfamilie sagt nicht Entschuldigung“, kommentierte Philip Murphy, der das Institut für Commonwealth Studies an der University of London leitet, die Äußerung Williams. Die Formulierungen seien mit großem Bedacht gewählt, um nicht Forderungen nach Entschädigungen Tür und Tor zu öffnen, so Murphy. Doch ob dieser zaghafte Ansatz ausreichen wird, um die ehemaligen Kolonien auch in Zukunft an die britische Krone zu binden, scheint zweifelhaft.
In den Augen von Murphy rächt sich nun, dass die Royals mit Williams jüngerem Bruder Harry (37) und dessen Frau Meghan (40) gebrochen haben. Die beiden hätten sowohl durch ihre weniger prominente Rolle im Königshaus als auch durch ihre höhere Glaubwürdigkeit eine wichtige Rolle dabei spielen können, die Royals mit ihren früheren Kolonien zu versöhnen, glaubt er.
Gleich 60 Gründe, warum sich die Krone bei Jamaika entschuldigen und Reparationen leisten solle, trugen Aktivisten der Gruppe Advocates Network bei einer Demonstration vor der britischen Botschaft in Kingston während des Royal-Besuchs vor.
„Wir sehen keinen Grund, den 70. Jahrestag der Besteigung des britischen Throns durch Ihre Großmutter zu feiern, denn unter ihrer Führung und der ihrer Vorgänger wurde die größte Menschenrechtstragödie in der Geschichte der Menschheit aufrechterhalten“, hieß es in einem offenen Brief an William und Kate, der der Botschaft übergeben wurde.
Zu den Kritikpunkten gehört auch, dass Großbritannien sich immer wieder damit rühmt, bereits 1834 die Sklaverei abgeschafft zu haben. Verschwiegen wird jedoch oft, dass damit eine massive Entschädigung für Sklavenhalter einherging, an deren Tilgung das Land noch bis 2015 zahlte. Für die ehemaligen Sklaven und ihre Nachfahren gab es bislang jedoch keinen müden Penny.
Eine Abkehr Jamaikas von der Monarchie fordert das Advocates Network nicht. Die könnte dennoch bevorstehen, wie Premierminister Andrew Holness am Mittwoch vor Journalisten andeutete. „Wir ziehen weiter“, sagte er, während neben ihm Prinz William mit etwas betretenem Gesichtsausdruck stand und mit dem Kopf nickte. Holness hatte bereits im Dezember gesagt, Jamaika müsse eine Republik werden – wenige Tage nachdem sich Barbados von der britischen Krone losgesagt und zu einer Republik erklärt hatte. C. MEYER, N. KAISER