Der Tod des Mafia-Jägers

von Redaktion

Vor 30 Jahren starb der italienische Jurist Giovanni Falcone durch eine 500-Kilo-Bombe

Palermo – An einem schwülen Samstagabend im Mai 1992 fahren Giovanni Falcone und seine Frau Francesca Morvillo Richtung Palermo. Sie kommen aus Rom. Der bekannte Mafia-Jäger im Staatsdienst sitzt am Steuer des Autos. Gegen 18 Uhr explodieren auf der A29 nahe dem Ort Capaci plötzlich 500 Kilogramm Sprengstoff unter der Straße. Der Begleitwagen wird in die Luft geschleudert, Falcones Auto kracht in den Bombenkrater. Der 53-Jährige und seine Frau sterben, ebenso drei Leibwächter. Sie sind Opfer der sizilianischen Cosa Nostra geworden.

Wer die Mafia jagt, schwebt ständig in Lebensgefahr – damals wie heute. Jüngst wurde bekannt, dass in Kalabrien ein Anschlag auf den Staatsanwalt Nicola Gratteri verübt werden sollte. Jahrestage wie jener der „Strage di Capaci“, des Blutbads von Capaci, sind manchmal besondere Anlässe für die Mafia, um zu zeigen, dass es sie noch gibt.

Wie Gratteri stand auch Falcone unter ständigem Personenschutz. „Die Cosa Nostra vergisst nicht“, sagte der 1939 in Palermo geborene Mafia-Jäger in einem Interview nur wenige Tage vor dem Anschlag. „Die Mafia ist ein Panther; wendig, brutal und hat das Gedächtnis eines Elefanten.“ Damals warb der Jurist für seine Idee einer „Superprocura“, eine Super-Staatsanwaltschaft, damit sich die Mafia-Bosse nicht weiter ausbreiten können. Inzwischen gibt es diese.

Er und seine Kollegen legten damals Grundsteine im Kampf gegen die gefürchtete Cosa Nostra. „Richter Falcone hat eine neue Ermittlungsmethode, später bekannt als ,Follow the money‘ (Folge dem Geld), erarbeitet“, sagt Lorena Di Galante, Chefin des zweiten Reviers der nationalen Anti-Mafia-Ermittlungsdirektion (Dia).

Dadurch sei es möglich gewesen, Banküberweisungen der Mafia zu verfolgen und Bewegung von illegal beschafftem Geld zu rekonstruieren, erklärte Di Galante weiter. Derartige Ermittlungen seien heute Eckpfeiler der Untersuchungen, sie legten die Verflechtungen in der Gesellschaft auf politischer, wirtschaftlicher und unternehmerischer Ebene offen.

Einige Mafia-Jäger bezahlten ihren Einsatz mit dem Leben: Wenige Wochen nach dem Mordanschlag von Capaci tötete die Mafia auch den Juristen Paolo Borsellino – einen Freund Falcones aus Kindheitstagen – mit einer Autobombe in Palermo. Er besuchte gerade seine Mutter.

Die Anschlagsserie riss Italien aus dem Schlaf der Gleichgültigkeit gegenüber dem organisierten Verbrechen. Die Justiz ermittelte später die Drahtzieher, Zeugen packten aus und brachen die Omertà, das Gesetz des Schweigens innerhalb der Mafia, gegenüber den Behörden. Viele landeten danach hinter Gittern. So auch der mächtige Mafia-Boss Salvatore „Toto“ Riina, der „Boss der Bosse“, aus dem kleinen Ort Corleone, dessen Name vielen aus dem Film „Der Pate“ ein Begriff ist. Vor drei Jahrzehnten (23. Mai 1992) starb Falcone. Die Mafia in Italien lebt aber weiterhin. Wöchentlich berichten Finanzpolizei, Carabinieri oder die Staatspolizei von Festnahmen mutmaßlicher Mafiosi und beschlagnahmten Gütern in Millionenhöhe. Wie viele Mafia-Kriminelle in Italien schätzungsweise aktiv sind, gibt Di Galante nicht preis, dafür aber Ermittlungserfolge seit 1992: Mehr als 11 000 Menschen wurden demnach im Zusammenhang mit der Mafia festgenommen und Güter im Wert von rund 7,68 Milliarden Euro beschlagnahmt.

Der 23. Mai ist für Italien ein wichtiger Tag des Gedenkens und des Mahnens. Staatspräsident Sergio Mattarella wird sich anlässlich des Anschlags äußern. Für ihn hat der Jahrestag eine persönliche Bedeutung: Sein Bruder Piersanti wurde 1980 von der Mafia ermordet. JOHANNES NEUDECKER

Artikel 2 von 10