431 Straftaten: Clan wird der Prozess gemacht

von Redaktion

Von der Villa ins Gefängnis: Anklage wegen Sozialbetrug, Geiselnahme, Raub und Erpressung

VON FRANK CHRISTIANSEN

Düsseldorf – Aggressionen auf der Anklagebank, Tränen im Zuschauerraum: Gegen mutmaßliche Angehörige des Al-Zein-Clans hat in Düsseldorf ein Prozess wegen Geiselnahme, bandenmäßigen Sozialbetrugs und weiterer Verbrechen begonnen. Angeklagt sind sieben Mitglieder einer libanesischstämmigen Großfamilie. Alle Angeklagten hätten zu den Vorwürfen bislang geschwiegen, sagte Oberstaatsanwalt Stefan Willkomm. Die Verteidiger signalisierten, dass sich daran zunächst nichts ändern werde.

Obwohl sie in Leverkusen in einer Villa mit 300 Quadratmetern Wohnfläche residierte und über erhebliches Vermögen verfügte, soll die Großfamilie zwischen 2014 und 2021 Sozialleistungen in Höhe von 456 000 Euro bezogen haben. Laut Anklage werden den sieben Familienmitgliedern in wechselnder Beteiligung auch Raub, Steuerhinterziehung, schwere Körperverletzung, Geldwäsche, Erpressung und Zwangsarbeit vorgeworfen. Es drohen bis zu 15 Jahre Haft.

Seit 2019 war gegen Familienmitglieder ermittelt worden, verrät der Staatsanwalt. Vor einem Jahr hatte die Polizei die Villa mit einem gepanzerten Fahrzeug gestürmt, scharfe Schusswaffen gefunden sowie 360 000 Euro Bargeld beschlagnahmt. Rund 600 Polizisten waren an der Aktion in 15 Städten in Nordrhein-Westfalen beteiligt. „Mit Einkünften aus Straftaten haben die Angeklagten ein erhebliches Vermögen angehäuft“, sagt Staatsanwalt Radbod Tafaghodrad, während er eineinhalb Stunden lang die Tatvorwürfe der Anklage auflistet. „Sie trugen Rolex-Uhren und fuhren Mercedes S-Klasse.“

Dennoch habe die Familie 26 Anträge auf Sozialleistungen für verschiedene Bedarfsgemeinschaften beim Jobcenter in Leverkusen gestellt. „Die Voraussetzungen lagen zu keiner Zeit vor“, sagt der Staatsanwalt. Noch weit schwerer wiegt der Vorwurf der Geiselnahme. Im September 2018 soll der Hauptangeklagte mit seinen Söhnen einen Mann in Düsseldorf in den schallisolierten Kellerraum einer Shisha-Bar verschleppt haben. Immer wieder hätten mehrere Männer auf Befehl des Familienoberhaupts auf das Opfer eingeschlagen, um Informationen über seine Beziehung zu einer bestimmten Frau zu erpressen. Man werde ihn töten und im Wald vergraben, seine Schwester und Mutter vergewaltigen, sei dem Mann gedroht worden. Schaufeln hätten sichtbar bereit gelegen.

Vom Inhaber einer Düsseldorfer Autowerkstatt habe der Clan 1000 Euro monatliches Schutzgeld gefordert. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, hätten Angeklagte ihn so brutal zusammengeschlagen, dass er stationär im Krankenhaus behandelt werden musste.

In Leverkusen sei einem Friseur vorgegaukelt worden, der Clan unterstütze ihn bei der Gründung eines eigenen Unternehmens. Tatsächlich sei er als billige Arbeitskraft ausgebeutet worden, dessen 70-Stunden-Woche mit 250 Euro abgegolten wurde. Als der Friseur sich weigerte, weiter zu arbeiten, hätten sich vier Angeklagte vor dem Mann aufgebaut und ihm klargemacht, dass er nicht einfach kündigen könne. Andernfalls werde ihm Schreckliches widerfahren.

Als sich der Betreiber einer Pizzeria in Essen hilfesuchend an den Clan gewandt habe, weil er mehrfach bedroht worden war, sei er vom Regen in die Traufe geraten. 30 000 Euro Schutzgeld habe der Hauptangeklagte gefordert – 15 000 Euro seien bezahlt worden. Doch Schutz habe es keinen gegeben. So seien die Scheiben des Lokals und die Einrichtung von Unbekannten zerstört worden.

Insgesamt 127 Seiten stark ist die Anklageschrift, 431 Straftaten sind darin gelistet. Die Einziehung der Villa und weiterer Vermögenswerte ist beantragt. Das Landgericht hat bis November 30 Verhandlungstage angesetzt.

Artikel 11 von 11