Haarige Zeiten für Deutschlands Männer?

von Redaktion

Experten prognostizieren Comeback des Brusthaares als Zeichen eines positiven Körpergefühls

Berlin – „Echte Kerle“ sind behaart und zeigen das auch. So war es zumindest früher in Film und Fernsehen. Man denke an „James Bond“-Legende Sean Connery oder „Magnum“-Serienheld Tom Selleck. In den 90ern brach die Zeit unbehaarter Wäschemodels und Promis an wie Mark Wahlberg und David Beckham. Heute wimmelt es auf Instagram von blanken Waschbrettbäuchen. Andererseits muss wohl auch wieder archaische Männlichkeit demonstriert werden. Der französische Präsident Emmanuel Macron zum Beispiel posierte im Wahlkampf offenherzig mit sichtbarem Brusthaar. Ist 2022 eine Rückkehr der breiten, wilden Männerbrust angesagt?

„Nicht nur die behaarte Männerbrust, sondern auch die glattrasierte als Teil eines durchtrainierten Körpers ist eine Stilisierung von Männlichkeit“, sagt der Männlichkeitsforscher Toni Tholen von der Uni Hildesheim. Der Umgang von Männern mit ihrem Brusthaar unterliege einem ständigen, konsumorientierten Wechsel. Der Literaturwissenschaftler Tholen hält es für möglich, dass die Behaarung wieder mehr als „Dominanzmarker“ eingesetzt werden könnte. Jedenfalls sei die Männerbrust traditionell eine zentrale Körperregion für die Modellierung von Männlichkeit.

„Im Vergleich zu früheren Jahrzehnten wird der Männerkörper zunehmend ästhetisiert“, sagt auch die Psychologin Ada Borkenhagen, die derzeit am Buch „Bin ich schön genug? Schönheitswahn und Body Modification“ arbeitet. In den 70ern zum Beispiel habe kaum ein Mann daran gedacht, seinen Haarwuchs auf Brust, Bauch oder gar Rücken zu bändigen. „Männer durften so bleiben, wie sie sind.“ Das sei heutzutage ganz anders, sagt die Professorin von der Magdeburger Universitätsklinik. Zeitgleich gebe es einen Trend zur sogenannten Body Positivity, die unrealistische Schönheitsideale überwinden wolle. Bei Männern gehe es da zum Beispiel um Stolz auf runde Formen oder eben üppige Behaarung.

Gerade die Körperbehaarung ist bei Männern stets ein Thema. In Deutschland ist sie recht unbeliebt. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur hervor. Lediglich jeder Zwanzigste findet Brusthaar „sehr schön“ – sowohl bei Frauen als auch Männern sind es nur fünf Prozent (siehe Grafik oben). Psychologin Borkenhagen sieht im Wellenmodus der Mode eine Chance für ein Comeback des Brusthaars. Die Brustbehaarung – allerdings nicht mehr als wilde Matte wie früher – könnte demnach die Bärte als neues ausgestelltes Männlichkeitszeichen ersetzen oder mindestens ergänzen. So wie der Vollbart-Hype könnte der Expertin zufolge die Liebe zum gepflegten und frisierten (also gestutzten, getrimmten, geschickt zurechtrasierten) Brust- und Bauchhaar bald auch zum Trend werden. GREGOR THOLL

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