Heilbronn/Hamburg – Es klingt wie ein Aprilscherz: Die Kartoffel ist „Giftpflanze des Jahres 2022“. Was also tonnenweise in Deutschland gefuttert wird, soll giftig sein? Ganz so schlimm ist es nicht. „Mit der Wahl der Kartoffel zur Giftpflanze des Jahres wollen wir auf die Giftwirkung in den grünen Pflanzenteilen und Früchten aufmerksam machen“, erläutert das Team vom Botanischen Sondergarten in Hamburg-Wandsbek, das für die alljährliche Kür der Giftpflanze verantwortlich ist. Tatsächlich hatte es früher Todesfälle gegeben – weil das Falsche an der Pflanze gegessen wurde.
Deshalb lautet die Botschaft der Experten: Finger weg von allem, was an der Kartoffel grün ist. Dort verbirgt sich konzentriert das Gift Solanin. Auch in stark keimenden Kartoffeln tritt es auf. Es bewirkt Atembeschwerden, Übelkeit und Erbrechen, Brennen und Kratzen im Hals bis hin zu Darm- und Nierenentzündungen oder Krämpfe und Lähmungen. Die gute Nachricht: Moderne Kartoffelzüchtungen haben einen viel niedrigeren Solaningehalt als die Ernten aus früheren Zeiten.
Solanin lässt sich nicht einfach wegkochen. Als hitzebeständiger Wirkstoff geht es erst ab 240 Grad Celsius kaputt – Kochwasser hat aber nur 100 Grad. In der Schale findet sich mehr von dem Stoff als im Inneren der Knolle, weshalb man insbesondere Kleinkindern nur geschälte Kartoffeln kredenzen sollte. Zerkleinerte Kartoffeln sollten nicht mehr in den Kühlschrank, weil sich an den Schnittstellen ebenfalls Solanin bildet.
Mark Mitschke vom Kartoffelbauberatungsdienst Heilbronn rät Verbrauchern zur Gelassenheit im Umgang mit grünen Stellen an Kartoffeln. „Was ich mit einem einfachen Schälschnitt entfernen kann, ist kein Problem“, erzählte er. Bei dickeren Schichten von Grün rät er allerdings dazu, die Knolle nicht mehr zu essen. Mitschke lobt die Kartoffel als Grundnahrungsmittel, da sie sich mit vergleichsweise wenig Wasser anbauen lasse. Deshalb wechselten Bauern in China zunehmend vom Reis zur Knolle. Deutsche äßen im Schnitt knapp 20 Kilogramm Kartoffeln pro Jahr, zu Corona-Zeiten seien es 24 Kilogramm gewesen.