Belgrad – Die Dürre hat den Pegel der Donau auf einen Tiefststand sinken lassen. Dadurch sind nun die Trümmer dutzender deutscher Kriegsschiffe aufgetaucht. Bisher nur ein lästiges Hindernis, werden die Reste der Nazi-Flotte durch das Niedrigwasser nun zu einer großen Gefahr. Denn die Wracks müssen nicht nur aufwendig umschifft werden. In ihren Bäuchen schlummert außerdem eine brisante Ladung: Tonnen von Munition.
„Wenn der Wasserpegel stark absinkt, werden hier drei, vier Wracks freigelegt“, berichtet ein Angler am Ufer der Donau im serbischen Prahovo der Zeitung „Tagesspiegel“. Es sind die rostigen Zeugen eines längst geschlagenen Krieges. Nachdem die Rote Armee im August 1944 die deutsch-rumänische Front in Bessarabien durchbrochen hatte, ordnete die deutsche Marine hastig den Rückzug ihrer Donau- und Schwarzmeerflotte an. Der deutsche Konteradmiral Paul Willy Zieb sollte den Konvoi von mehr als 200 Kriegs- und Frachtschiffen mit rund 8000 Soldaten und Zivilisten vor den anrückenden Sowjets über die Donau zurück ins Reich führen. Der Rückzug endete vorzeitig – auf dem Donaugrund bei Prahovo.
Denn nachdem der Versuch, die Flüchtlingsflotte durch die von den Sowjets bereits kontrollierte Flussenge am Eisernen Tor zu bringen, viermal gescheitert war, entschlossen sich die Deutschen Ende September 1944 dazu, ihre Schiffe selbst zu versenken – und sich zu Fuß Richtung Belgrad durchzuschlagen. In Zickzacklinien quer durch den Fluss wurden die Schiffe übereinanderliegend versenkt: Die Wracks sollten die Fahrtrinne blockieren – und den Vormarsch der Russen abbremsen. Nach Kriegsende wurden zwar einige der versenkten Kriegsschiffe aus dem Fluss gezogen. Doch obwohl der Bau der Djerdap-Kraftwerke in den 1970er-Jahren den Großteil der Wracks in den Tiefen des neuen Stausees verschwinden ließ, haben sich die südlich der Staumauer gelegenen Überreste der deutschen Schwarzmeerflotte für die Donauschifffahrt auch wegen des Klimawandels und der häufigeren Niedrigwasser als gefährliches Hindernis entpuppt. Weshalb Serbien nun mithilfe von EU-Krediten die verengte Fahrrinne der Donau wieder besser schiffbar machen will.
„Die Wracks müssen entfernt werden, um auch größeren Schiffen eine gefahrlose Passage und Navigation in der Donau zu gewährleisten“, sagt Matteo Rivellini, der italienische Leiter der Westbalkan-Abteilung der Europäischen Entwicklungsbank (EIB) in Luxemburg gegenüber dem „Tagesspiegel“. Tatsächlich müssen längere Frachtkonvois bei Niedrigwasser in der verengten Fahrrinne entkoppelt und in Teilen an den Wracks vorbeigelotst werden: Zeitverluste von bis zu drei Tagen sind keine Seltenheit. Die Kosten der Bergung der 22 Wracks taxiert Rivellini demnach auf 23 Millionen Euro.
Während das serbische Boulevardblatt „Novosti“ bereits jubelte, dass endlich die „deutschen Schiffe voll geraubter Schätze Russlands“ gehoben werden, fürchten andere eher das, was in den Wracks zu finden sein wird. Denn statt wertvollem Beutegut bereiten Treibstoffreste, nicht entzündete Munition und Waffen große Sorgen. Daher sollen nun erneut Taucher die Wracks sorgfältig analysieren, damit die für 2023 geplante Hebung nicht zu einem Fiasko wird.