Was einem schmeckt, ist vererbt

von Redaktion

Bitter-Gen und Scharf-Schmerz: Wie unser Geschmack beeinflusst wird

Freising/Münster – Die Psychologin Kathrin Ohla weiß, wie das ist, wenn man ein Lebensmittel absolut nicht mag. „Ich fand Rosenkohl immer unerträglich bitter“, sagt die 44-Jährige. Aber weil sie ständig hörte, wie gesund er sei, startete sie einen Selbstversuch: Eine Woche lang zwang sie sich, jeden Tag Rosenkohl zu essen, um sich an den Geschmack zu gewöhnen.

Denn das ist eine der vielen wichtigen Erkenntnisse von Geschmacksforschern wie Kathrin Ohla von der Uni Münster oder Maik Behrens vom Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie in Freising: Die Geschmacksvorlieben können sich verändern. Nicht aber, ob ich Brokkoli und Rosenkohl als sehr bitter wahrnehme: Das ist tatsächlich vererbbar. „Für die Erkennung bestimmter Bitterstoffe gibt es eine genetische Ursache“, erläutert Behrens. Dafür verantwortlich ist das Gen TAS2R38: Diejenigen, bei denen es voll funktionsfähig vorhanden ist, können bestimmte Bitterstoffe intensiv schmecken. „Das ist bei den meisten Menschen der Fall“, so der Biologe. Etwa 30 Prozent der Bevölkerung gehören jedoch zu den „Nicht-Schmeckern“. Für die Geschmacksrichtung „bitter“ gibt es noch eine weitere Besonderheit auf unserer Zunge: Denn in den sog. Papillen befinden sich dafür Geschmacksknospen mit 25 verschiedenen Rezeptortypen. Üblich sind ein bis zwei bei den anderen Geschmacksrichtungen – also süß, sauer, salzig und umami.

Zum Leidwesen der Forscher hält sich bis heute noch immer die Meinung, dass die Geschmacksrezeptoren auf ganz bestimmten Bereichen der Zunge angeordnet sind – also etwa „süß“ vorne und „sauer“ und „salzig“ eher an den Rändern. „Diese Karte ist Unsinn“, sagt Ohla.

Richtig sei vielmehr, dass die Papillen über die gesamte Zunge verteilt seien. Wobei sich im hinteren Zungenbereich besonders viele Bitterrezeptoren befinden. „Das macht auch Sinn“, meint die Expertin. Denn wenn jener Bereich stimuliert werde, rege dies auch einen extra Nerv an, der Würgereiz auslösen könne. Eine Schutzmaßnahme, um ungenießbare Stoffe nach dem Schlucken wieder ausspucken zu können.

„Alles, was die Geschmacksknospen aktiviert, wird über Nervenfasern zum Gehirn weitergeleitet. Da formt sich dann ein Geschmackseindruck“, erläutert Behrens. Daran seien viele Sinne beteiligt: „Nicht umsonst sagt man, das Auge isst mit“, sagt er. Eine noch größere Bedeutung kommt jedoch dem Geruch zu, der retronasal aufgenommen werde: also aus der Mundhöhle über den Rachenraum zu den Rezeptoren im Nasenraum. Grund, warum man bei Schnupfen weniger gut schmeckt: „Tatsächlich riecht man nur weniger“, stellt der Biologe klar.

Falsch ist jedoch, wenn man auch „scharf“ mit Geschmackssinn in Verbindung bringt. „Tatsächlich ist das ein Reiz an einer Nervenendung im Mundraum, der genauso aber auch auf der Haut passiert“, sagt Maik Behrens. Wenn man also meint, etwas schmeckt scharf, handelt es sich gar nicht ums Schmecken. „Scharf ist allein eine Schmerz- oder Temperaturwahrnehmung“, so Ohla.

Dennoch gibt es Lebensmittel, die die einen lieben, anderen aber übel aufstoßen. Beispiel Koriander: „Für manche schmeckt er nach Seife“, so die Psychologin. Verantwortlich seien hier nicht die Rezeptoren auf der Zunge, sondern eine genetische Variation im Geruchssinn. Denn der verfügt über viele Rezeptoren und sorgt damit für Vielfalt bei den Wahrnehmungen. Und auch das Umfeld hat Einfluss aufs Geschmacksempfinden. „Bei Vorlieben spielt auch die Sozialisierung eine Rolle“, sagt Maik Behrens. Denkbar sei, dass sich die Akzeptanz von dem in Asien sehr beliebten Koriander einmal ähnlich entwickeln werde wie für Knoblauch.

„Man kann sich an fast alles gewöhnen“, versichert Ohla. „Da kommt die Psychologie und überschreibt die Genetik.“ Auch ihr Selbstversuch mit Rosenkohl hatte schließlich Erfolg: „Die ersten Tage waren schlimm, aber jetzt mag ich ihn richtig gern!“

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