Attendorn – Es klingt beinahe unvorstellbar: In Attendorn im Sauerland soll ein acht Jahre altes Mädchen fast sein ganzes Leben lang von der Mutter und den Großeltern versteckt gehalten worden sein.
Nach der Befreiung Ende September habe das Mädchen gesagt, dass es noch nie einen Wald gesehen habe, noch nie auf einer Wiese gewesen oder in einem Auto gefahren sei, berichtete der „Sauerlandkurier“ jetzt unter Berufung auf Unterlagen der Kinderklinik in Siegen.
Das mittlerweile in einer Pflegefamilie untergebrachte Mädchen sagte demnach bei seiner Untersuchung, bisher habe sie vor allem in einem Zimmer bei verschlossener Tür gelebt. Mittlerweile sei das von Polizei und Jugendamt befreite Kind in einer Notpflegefamilie untergebracht.
Das Portal Sauerlandkurier.de zitierte den Siegener Oberstaatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss mit den Worten, dass das Mädchen das Haus nicht verlassen durfte, seitdem sie mindestens eineinhalb Jahre alt gewesen ist. „Viel von der Außenwelt kann das Kind daher bewusst nicht wahrgenommen haben.“
Erkenntnisse auf Misshandlungen oder einer Unterernährung lägen demnach nicht vor, das Mädchen könne sich artikulieren und laufen, wenngleich sie „kaum in der Lage sei, allein Treppen zu steigen oder Unebenheiten im Boden zu überwinden“.
Die Mutter und die Großeltern, in deren Haus die Familie gelebt haben soll, machten dem Bericht zufolge bislang keine Angaben. Gegen sie wird wegen Freiheitsberaubung ermittelt. Dem schon vor der Geburt getrennt von ihr lebenden Vater soll die Mutter mitgeteilt haben, mit der Tochter nach Italien ziehen zu wollen.
Zweifel daran gab es in den vergangenen Jahren dem Bericht zufolge allerdings immer wieder. Im September 2015 habe der Vater gegenüber dem Jugendamt angegeben, die Mutter mehrfach in Attendorn gesehen zu haben – die Großeltern hätten auf Nachfrage aber angegeben, dass die Tochter mit der Enkelin in Italien lebe.
Dem Bericht zufolge wurde das zuständige Jugendamt des Kreises Olpe wiederholt von den Großeltern abgewimmelt, diese hätten auch den Zugang zum Haus verweigert. Auch die Polizei sei von den Großeltern nicht ins Haus gelassen worden, diese habe aber auch keinen Durchsuchungsbeschluss vorlegen können.
Am Ende habe dann schließlich ein Verwandter mütterlicherseits nach einem Besuch in Italien den entscheidenden Hinweis darauf gegeben, dass die Mutter und das Kind nie in Italien gelebt haben.