Millionenerbe mit dem Hang zum Düsteren

von Redaktion

Hamburg – Seit Jahrzehnten forscht er über politische Gewalt, NS-Verbrechen, Folter und Angst. Am eigenen Leib erlebte Jan Philipp Reemtsma im Jahr 1996 brutale Gewalt, als er 33 Tage lang von Erpressern als Geisel in einem Kellerverlies gefangen gehalten wurde. Der Fall des damals 43 Jahre alten Millionenerben zählt zu den spektakulärsten Entführungen der bundesdeutschen Geschichte. Das beengte Leben in dem Kellerraum und die erlittene Todesangst beschrieb Reemtsma später in seinem Buch „Im Keller“. Am Samstag wird Reemtsma, der heute zu Deutschlands bekanntesten Mäzenen zählt, 70 Jahre alt.

Doch nicht erst mit der Entführung begann sein Interesse an den dunklen Seiten des Menschen. „Ich bin vom Familiären her in bestimmte düstere Aspekte dieses Jahrhunderts hineingewachsen“, sagte Reemtsma im Jahr 2007 dem „Spiegel“.

Sein Vater etwa habe bis zu seinem Tod mit Verwundungen aus dem Ersten Weltkrieg zu schaffen gehabt. Zwei seiner Halbbrüder starben im Zweiten Weltkrieg. „Irgendwann dachte ich, die beste Strategie für diese Probleme sei: Finde es interessant, mach ein Thema daraus – aber kein autobiografisches.“

Reemtsma kam am 26. November 1952 in Bonn zur Welt, er wuchs als Sohn des Hamburger Unternehmers Philipp Fürchtegott Reemtsma in wohlhabenden Verhältnissen auf. Die Familie hatte mit den „Reemtsma Cigarettenfabriken“ ein Vermögen erwirtschaftet.

Bereits als Siebenjähriger verlor Reemtsma seinen Vater. Wie es das Testament wollte, konnte er im Alter von 26 Jahren frei über das Erbe verfügen. Kurz darauf verkaufte er die Unternehmensanteile für rund 300 Millionen Mark.

Nach der Entführung widmete sich Reemtsma weiter seiner akademischen Arbeit. 1996 wurde er zum Professor für Neuere Literatur an der Universität Hamburg berufen. Professuren in Mainz und Jena folgten. Bis 2015 stand Reemtsma auch dem von ihm im Jahr 1984 gegründeten Hamburger Institut für Sozialforschung vor.

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