Peking – Chinas Null-Covid-Politik ist an ihre Grenzen gestoßen. Was mit Protesten gegen die strikten Maßnahmen begann, richtete sich schnell gegen Staatschef Xi Jinping und die Kommunistische Partei im Allgemeinen. Die Polizei ging teils gewaltvoll gegen die Demonstranten vor. Jetzt schwenkt die chinesische Regierung doch um und lockert die Corona-Regeln.
Auslöser der landesweiten Proteste war ein Wohnhausbrand in der nordwestlich gelegenen Stadt Urumqi, wo ein Feuer zehn Menschen tötete. Kritiker machten die Corona-Abriegelungen dafür verantwortlich, dass die Menschen nicht vor dem Feuer gerettet werden konnten. Wegen der Protestwelle wurde die Polizeipräsenz massiv hochgefahren. Studenten wurden frühzeitig in die Winterferien geschickt, um nicht mehr an Protesten in den Großstädten teilnehmen zu können. An einigen Orten kam es aber trotzdem zu weiteren Zusammenstößen.
Am Wochenende hatten Dutzende US-Senatoren China vor einer gewaltvollen Unterdrückung gewarnt. In einem Brief an den chinesischen Botschafter in den USA erinnerten 42 Mitglieder der Kongresskammer an die blutige Niederschlagung der Demokratie-Proteste 1989 auf dem Pekinger Tiananmen-Platz. Sie warnten die chinesische Führung „eindringlich davor, noch einmal gewaltsam gegen friedliche chinesische Demonstranten vorzugehen, die einfach nur mehr Freiheit wollen“.
Die Proteste zeigen ihre Wirkung. In vielen chinesischen Städten wurden Corona-Lockerungen verkündet. Betroffen davon sind vor allem die Quarantäneregeln und die Testpflicht.
Die chinesische Finanzmetropole Shanghai wird heute die Corona-Testpflicht teilweise abschaffen. Für die Einwohner entfällt dann die Pflicht, ein 48 Stunden altes negatives Testergebnis vorzuweisen, um öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und Parks oder Touristenattraktionen zu betreten, teilten die Behörden mit. Die mehr als 23 Millionen Einwohner zählende Stadt war in diesem Jahr monatelang abgeriegelt, worunter die inländische Wirtschaft stark gelitten hat.
Bei den Lockerungen gehen nicht alle Regionen gleich vor. Peking, Tianjin, Shenzhen und Chengdu hoben die Testpflicht für Bus und Bahn auf. In Peking müssen Einwohner seit Samstag beim Kauf von Fieber- und Erkältungsmedikamenten nicht mehr ihren Namen angeben. Und ein Pekinger Bezirk kündigte an, dass positiv Getestete nicht mehr in staatliche Einrichtungen müssen.
Auch in Dongguan im Süden und Shenzen im Südosten dürfen sich Infizierte „unter bestimmten Voraussetzungen“ zu Hause isolieren. Die nordöstliche Stadt Jinzhou hatte erklärt, am Lockdown festzuhalten zu wollen, weil „es eine Schande wäre, wenn wir nicht in der Lage wären, Null-Covid zu erreichen“. Am Freitag nahm sie nach einem öffentlichen Aufschrei die Ankündigung zurück. Beamte in der östlichen Stadt Jinan erklärten gestern, dass die Einwohner weiterhin einen Gesundheitscode einscannen und ein negatives Testergebnis vorweisen müssen, um öffentliche Toiletten zu benutzen. Viele Städte erlaubten trotz steigender Infektionszahlen die Öffnung von Restaurants, Einkaufszentren und Schulen.
Durch die strikten Maßnahmen verzeichnet China zwar vergleichsweise wenige Corona-Infektionen. Epidemiologe Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut hält die Lage in China aber auch für gefährlich für die Weltgesundheit. In einer Bevölkerung, in der so viele keine Booster-Impfungen hätten und über geringere Immunität verfügten, sei die Gefahr groß, dass sich das Virus stark verbreite und dadurch weiter mutiere.