„Große Fische sind uns ins Netz gegangen“

von Redaktion

Bilanz von Nordrhein-Westfalens Innenminister nach Großrazzien gegen kriminelle Banden

Düsseldorf – Bei einer Großrazzia gegen mutmaßliche Autohehler und Coronahilfe-Betrüger sind auch Angehörige eines großen Familien-Clans im Visier der Ermittler. Unter dem Tarnnamen „Wels“ rückten am Mittwoch mehr als 300 Polizisten und zehn Steuerfahnder in fünf Bundesländern aus.

Schwerpunkt war Nordrhein-Westfalen mit 20 Städten, in denen es Durchsuchungen gab. „Große Fische sind uns ins Netz gegangen“, zog NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) gestern Bilanz. „Die anderen Fische werden wir auch noch bekommen“, sagte Reul weiter.

Die Vorarbeit hatten zwei Ermittlungskommissionen der Polizei namens „Zander“ und „Fargo“ geleistet. Sie tummelten sich in den trüben Gewässern der organisierten Kriminalität. Neben den Einsätzen in Nordrhein-Westfalen habe es Maßnahmen in Hessen, Berlin, Hamburg und Niedersachsen gegeben, berichtete der Innenminister. Zwei Hauptbeschuldigte in einem der Ermittlungskomplexe seien polizeibekannte Clan-Angehörige.

Demnach soll es sich um Mitglieder des Al-Zein-Clans handeln, einem großen türkisch-arabischen Familien-Clan. Der Al-Zein-Clan sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Zurzeit stehen Angehörige in Düsseldorf vor Gericht, deren Villa in Leverkusen mit Geldern vom Jobcenter bezahlt worden sein soll. Der Staatsanwalt hatte vor wenigen Tagen für den Clan-Chef eine Haftstrafe von sechs Jahren gefordert. Die Urteile sollen am 22. Dezember gesprochen werden.

In dem aktuellen Komplex geht es um hochpreisige Leasing-Autos, die unterschlagen, mit neuen Kennzeichen versehen und ins Ausland verkauft worden sein sollen. „Wir verstehen, was die Banden treiben. Wir verstehen, wie Clan-Kriminelle arbeiten. Wir werden nicht aufhören, diese Machenschaften zu beenden“, sagte Innenminister Reul. Neben den beiden Hauptbeschuldigten, denen eine dominante Rolle zugeschrieben wird, seien noch drei weitere Verdächtige dem kriminellen Clan-Milieu zuzurechnen, hieß es aus dem Innenministerium. In dem Komplex wurden vier Beschuldigte festgenommen. Das Verfahren richtet sich gegen 17 Verdächtige im Alter von 30 bis 38 Jahren. Mindestens acht teure Autos etwa der Marken Audi, Porsche und Mercedes sollen die Beschuldigten geleast oder gemietet und dann auf eigene Rechnung weiterverkauft haben. Einem von ihnen wird zudem Erpressung im Zusammenhang mit illegalem Glücksspiel vorgeworfen.

Im zweiten Komplex geht es um Subventionsbetrug: Es seien Scheinfirmen gegründet worden, um mit ihnen staatliche Corona-Hilfen zu ergaunern, erklärte Herbert Reul. Das Verfahren zum Subventionsbetrug richtet sich gegen 40 Verdächtige, von denen ebenfalls vier festgenommen wurden. Der vermutete Schaden liege bei sieben Millionen Euro, teilte die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft mit. Die Gelder seien überwiegend auf türkische Konten transferiert worden. In diesem Komplex gibt es laut Staatsanwaltschaft keinen Clan-Bezug. Insgesamt wird den Ermittlern zufolge gegen 57 Beschuldigte ermittelt. Alle 55 Durchsuchungsbeschlüsse und acht Haftbefehle seien vollstreckt worden, sagte Reul. Dabei seien auch zwei scharfe Schusswaffen sichergestellt worden.

Dass in den beiden so verschiedenen Verfahren gleichzeitig zugeschlagen wurde, begründeten die Ermittler mit Querverbindungen zwischen den Verdächtigen. Es sei befürchtet worden, die Ermittlungen im jeweils anderen Komplex zu gefährden, wenn nicht in beiden Verfahren gleichzeitig durchsucht worden wäre, hieß es.

Die Polizei in Nordrhein-Westfalen geht seit einigen Jahren gezielt gegen kriminelle türkisch-arabische Familienclans vor. Der Hauptaktionsraum von Clankriminellen ist laut Landeskriminalamt das Ruhrgebiet.

F. CHRISTIANSEN / O. AUSTER

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