Kiel – Nach dem tödlichen Messerangriff in einem Zug bei Brokstedt hat Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack vor vorschnellen politischen Forderungen gewarnt. „Aufgrund des sehr dynamischen Tatverlaufs ist vieles unklar“, sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag in Kiel. Ergebnisse einer Vernehmung des mutmaßlichen Täters gebe es noch nicht, sodass die Hintergründe und das Tatmotiv noch unklar seien.
Der mutmaßliche Täter galt nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht als Intensivtäter. Der 33-Jährige habe drei Vorstrafen gehabt, sagte Itzehoes Leitender Oberstaatsanwalt Carsten Ohlrogge. Zuvor hatte er in einer Sondersitzung des Innenausschusses berichtet, dass der Mann unter anderem wegen einer gefährlichen Körperverletzung verurteilt worden war. Auffällig geworden war er aber in Nordrhein-Westfalen und Hamburg, in Schleswig-Holstein gab es laut den Ermittlern keine Verfahren gegen den Verdächtigen.
Der Mann ist laut der Ministerin am 24. Dezember 2014 erstmals nach Deutschland eingereist. Ihm sei 2017 „subsidiärer Schutz“ gewährt worden. Im November 2021 sei ein Verfahren auf Rücknahme des subsidiären Schutzes eingeleitet worden. Wie dieses ausging, blieb zunächst unklar. Der 33-Jährige war noch kurz vor der Tat am Mittwoch in der Kieler Ausländerbehörde. Er habe eine Aufenthaltskarte beantragt, sagte Sütterlin-Waack. Von dort sei er zum Einwohnermeldeamt geschickt worden. Bei einer psychiatrischen Beurteilung nur Tage vor der Tat wurden zudem keine Auffälligkeiten festgestellt.
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) stellte den Umgang der Behörden mit dem Verdächtigen infrage. Es müsse aufgeklärt werden, wie es sein konnte, „dass ein solcher Täter noch hier im Land war“, sagte sie am Donnerstag bei einem Besuch in Brokstedt. „Wie konnte das passieren, dass er trotz so vieler Vorstrafen nicht länger in einer Justizvollzugsanstalt war?“
Bei dem Angriff am Mittwoch wurden eine 17-Jährige und ein 19 Jahre alter Mann tödlich verletzt. „Die beiden jungen Leute kannten sich“, sagte Ministerin Sütterlin-Waack. Beide stammten aus der Region. Fünf weitere Menschen und der Täter selbst wurden verletzt. Zunächst war von sieben Verletzten die Rede gewesen.
Gegen den Täter wurde noch am Donnerstag Haftbefehl erlassen. Ihm werden zweifacher heimtückischer Mord und viermal versuchter Totschlag vorgeworfen.