Hamburg – Viele sehnen sich danach, Judith Rakers macht es einfach: in, mit und von der Natur leben. Bei Hamburg hat sich die 47-Jährige ihren Traum erfüllt. Auf einem großen Grundstück baut sie ihr eigenes Gemüse an, erntet und verkocht es. Doch wie? Das hat sich die Tagesschau-Sprecherin alles selbst beigebracht. Heute erscheint ihr zweites Buch „Homefarming – Das Kochbuch“ (Gräfe und Unzer, 28 Euro), dieses Mal angereichert mit 100 Rezepten und Ideen, für die sie u.a. mit Sternekoch Alexander Herrmann zusammenarbeitete. Warum es ihr größtes Glück ist, verriet sie im Interview:
Was kam bei Ihnen heute Morgen auf den Tisch?
Heute Morgen habe ich mir einen Smoothie gemacht, mit Beeren von meinen großen, wild wuchernden Himbeerbüschen. Die Beeren hatte ich im Sommer portionsweise eingefroren. Noch immer habe ich davon etwas in meinen Vorräten. Hätte ich in den prallen Erntemonaten nichts zurückgelegt, wäre jetzt aber schon ziemlich Ebbe in meinem eigenen kleinen Biomarkt (lacht). Denn auch das Wintergemüse ist weitgehend abgeerntet. Aber immerhin hatte ich dieses Jahr welches. Anfangs habe ich mir über Wintergemüse immer erst Gedanken gemacht, wenn es kalt wurde, aber dann ist es zu spät. Vieles sollte man schon im Juli einsäen, um im Winter ernten zu können.
Hört sich nach exakter Planung an…
Ja, deshalb erinnere ich in meinem Buch zur rechten Zeit daran, wann man etwas vorziehen, aussäen oder in den Vorrat nehmen sollte. An diesen Tabellen habe ich ziemlich lange gesessen.
Sie sprechen von Ihrer kleinen Farm – wie muss ich mir das vorstellen?
Es ist kein Bauernhof, wie viele denken, sondern ein kleines Fachwerkhaus mit großem Garten. Ich nenne es Farm, weil wir hier mit vielen Tieren, auch Hühnern und einem mittlerweile ziemlich großen Obst- und Gemüsegarten leben. Ich bin hier Selbstversorgerin mit eigenem Brunnen statt Leitungswasser und Warmwasser über Solar. Die kleine Farm liegt direkt am Naturschutzgebiet, im Norden von Hamburg. Die Taxifahrer glauben immer nicht, dass da noch was kommt. Ich bin schon weitab vom Schuss (lacht).
Warum die Einsamkeit und die viele Arbeit?
Es war die Sehnsucht nach mehr Natur. Ich bin sehr ländlich aufgewachsen, am Teutoburger Wald und wollte früher immer nur eines, und zwar weg. Zwanzig Jahre habe ich dann in der Hamburger Innenstadt gelebt und war dort auch wirklich glücklich, hatte kurze Wege, alle Cafés und Shoppingmöglichkeiten, ich fand das super.
Und dann?
Dann hat sich das verändert. Ich wollte mehr Natur um mich herum haben und raus aus dem Trubel. Als ich auf die 40 zuging und im Urlaub am Lagerfeuer saß, hatte ich immer das Gefühl „jetzt bin ich angekommen, jetzt fühlt es sich richtig an.“ Und ich habe mich gefragt, warum ich mir diese ganz puren Momente nur im Urlaub gönne. Ich hatte den Wunsch, das in meinen Alltag zu holen. Ich musste einfach meiner inneren Stimme folgen. Sie war so laut, dass es mich immer mehr Energie gekostet hat, sie ruhig zu stellen. Dann habe ich es einfach gemacht, obwohl ich damals frisch geschieden war. Ich dachte, ich schaff das auch allein. Und das hab’ ich auch.
Mit großem Erfolg…
Ich habe klein angefangen, mit einem Beet, ein auf zwei Meter. Dem folgte ein zweites, dann hab ich ein Hochbeet gebaut, ein Plastikgewächshaus gekauft – und ich war total begeistert, dass der Anbau tatsächlich funktioniert, obwohl ich immer dachte, ich hätte keinen grünen Daumen. Bei mir ist früher wirklich jede Zimmerpflanze eingegangen. Selbst das Basilikum im Supermarkt war in dem Moment tot, als es bei mir im Einkaufskorb war (lacht).
Merken Sie eigentlich den Klimawandel?
Die letzten beiden Sommer waren schon außergewöhnlich heiß… Da ist viel vertrocknet. Und jetzt der Winter – so mild. Man merkt, dass die Natur damit schon ihre Probleme hat… Wenn ich vergangenes Jahr keinen Bewässerungsschlauch in das Gewächshaus gelegt hätte, wäre dort sicher einiges eingegangen – denn ich bin ja auch viel weg, z.B. auf Reportagereisen für das Reisemagazin „Wunderschön“.
Wer kümmert sich dann?
Meine beste Freundin. Sie zieht dann richtig hier ein und macht Farm-Sitting. Sie liebt es, denn für sie ist das wie Urlaub, sie kümmert sich um alle Tiere und die Beete und schickt mir lustige Videos davon.
Und wenn Sie heimkommen…
Stehe ich nicht im Blazer im Beet! (lacht). Dann geht’s rein in die Arbeitsklamotten und dann wird erst mal klar Schiff gemacht im Garten. Mir macht es einfach großen Spaß, in der Erde zu wühlen. Ich hab auch schon nach einer Nachrichten-Spätschicht mit einer Stirnlampe hinten im Beet gestanden und Kartoffeln ausgebuddelt, die ich noch essen wollte, gibt’s auch.
Ihre Leidenschaft trägt ja auch schon Früchte…
Ja, ich habe jetzt das zweite Buch dazu geschrieben, mache mit meiner Produktionsfirma seit einem Jahr einen Podcast zum Thema Homefarming und habe ein Online-Magazin gegründet, für das ich jetzt sogar eine kleine Redaktion zusammengestellt habe. Im Team arbeiten macht noch mehr Spaß.
Interview: Maria Zsolnay