Paris – Wer die Pariser Kathedrale Notre-Dame vor dem schlimmen Brand 2019 besucht hat, wird sie nach ihrer Restaurierung nicht wiedererkennen.
„Durch die gesäuberten Fenster wird viel mehr Licht hineinkommen“, sagte Lisa Bergugnat, Kuratorin einer jetzt eröffneten Ausstellung über die Kathedrale im Pariser Architekturmuseum. Auch die Mauern wurden inzwischen vom Ruß und vom Dreck der Jahrhunderte befreit. „Der Brand war letztlich auch eine Gelegenheit, die Kathedrale komplett zu restaurieren“, erklärt Bergugnat. Dies sei bislang nicht möglich gewesen, weil die Kirche mit etwa zwölf Millionen Besuchern im Jahr nie lange genug geschlossen werden konnte.
Und natürlich hätte der französische Staat, dem alle vor 1905 gebauten Kirchengebäude gehören, eine solche aufwendige Restaurierung nie allein finanzieren können. Der Brand am 15. April 2019, dessen Ursache nie ganz geklärt wurde, löste weltweit eine gewaltige Welle der Betroffenheit und Spendenbereitschaft aus. Insgesamt 854 Millionen Euro kamen zusammen, davon etwa eine halbe Million aus Deutschland. Präsident Emmanuel Macron ernannte einen Ex-Generalstabschef zum Beauftragten für den Wiederaufbau. Obwohl Macron selber kurz mit einer „architektonischen Geste“, also einem freier gestalteten Wiederaufbau liebäugelte, wurde beschlossen, die Kathedrale identisch und mit Originalmaterialien wieder aufzubauen. Die Ausstellung im Pariser Architekturmuseum macht nicht nur deutlich, was für eine gewaltige Aufgabe dies ist, sondern zunächst einmal, was die ursprünglichen Baumeister vom 12. Jahrhundert an Grandioses geleistet haben.
Zu Beginn der Ausstellung sind einige verkohlte Holzstücke, Steine und Metallobjekte aus der Kathedrale in einer Glasvitrine zu sehen. Es sei eine unendliche Puzzle-Arbeit gewesen herauszufinden, wo die noch erhaltenen Teile verbaut gewesen waren, sagte Bergugnat. „Ein Großteil der heruntergestürzten Steine musste am Ende ersetzt werden“, fügte sie hinzu. Dafür sei der gleiche Typ Sandstein in verschiedenen Steinbrüchen rund um Paris ausfindig gemacht worden. Zu den Prachtstücken im Pariser Architekturmuseum zählen die Statuen der zwölf Apostel und vier Evangelisten, die der Architekt Eugène Viollet-le-Duc im 19. Jahrhundert um den von ihm entworfenen Dachreiter gruppierte. Sie hatten den Brand unbeschadet überstanden, weil sie vier Tage zuvor vom Dach abmontiert worden waren, um restauriert zu werden.
Inzwischen sind sie mit neuen Kupferblättern versehen und wetterfest gemacht, sodass sie nicht so schnell wieder oxidieren und grün werden. Unter ihnen ist auch der Apostel Thomas, in dessen Zügen sich Viollet-le-Duc selbst ein Denkmal gesetzt hat. Der Dachreiter, der 2019 spektakulär in Flammen aufging und durch das Dach ins Innere der Kathedrale stürzte, soll noch in diesem Jahr wieder aufgebaut werden. Über den Spitzturm, der die Kreuzung von Quer- und Langschiff markiert, hatte es eine erregte Debatte gegeben. Befürworter einer modernen Version – etwa in Stahl und Glas und von innen beleuchtet – verwiesen darauf, dass der abgebrannte Turm ja auch erst im 19. Jahrhunderts entworfen worden sei.
Unterdessen werden die Glasfenster der Kathedrale in neun verschiedenen Werkstätten gereinigt, unter ihnen auch die Kölner Dombauhütte. Dort befinden sich derzeit vier Fenster aus dem Jahr 1965 aus der Werkstatt des französischen Glasmalers Jacques Le Chevallier. Die Kuratorin der Ausstellung zeigte sich zuversichtlich, dass die Kathedrale wie von Macron geplant 2024 wieder öffnen kann. Ob Besucher, die Notre-Dame vor dem Brand kannten, sie dann wiedererkennen werden, wird sich dann zeigen. ULRIKE KOLTERMANN