Baikonur – Eigentlich sollte es für drei Raumfahrer Ende März von der ISS wieder in Richtung Erde gehen. Doch ein Meteoriteneinschlag an ihrer Raumkapsel machte die Pläne zunichte. Am Sonntag dann Erleichterung im All: Eine ungewöhnliche Rettungsmission für die Männer ist erfolgreich gestartet.
Als Ersatz für eine beschädigte Raumfähre an der Internationalen Raumstation hat eine unbemannte Kapsel an der ISS angedockt. Nach zweitägigem Flug und insgesamt 33 Erdumrundungen kam die Sojus MS-23 am gestrigen Sonntag am Außenposten der Menschheit an, wie Live-Bilder der US-Raumfahrtbehörde Nasa zeigten. Die Kapsel hat rund 430 Kilogramm Material für die Besatzung an Bord, darunter medizinische Geräte und Ausrüstung für wissenschaftliche Experimente. Die Crew muss nun unter anderem drei Konturensitze aus der defekten Fähre in das „Rettungsboot“ einbauen: Sie sind auf die individuellen Körpermaße der Raumfahrer in der Schwerelosigkeit eingestellt. Zudem gilt es, die Raumanzüge umzupacken und das Material auszuladen.
Die ungewöhnliche Mission war nötig geworden, weil die bereits an der ISS angedockte Fähre MS-22 ein Leck hat – wohl verursacht von einem Mikrometeoriten. Austretende Flüssigkeit am Kühlsystem ließ die Rückkehr von zwei Russen und einem US-Amerikaner riskant erscheinen. Geplant ist nun, dass Sergej Prokopjew und Dmitri Petelin sowie Frank Rubio, die im September mit der MS-22 angekommen waren, im Herbst mit MS-23 zur Erde fliegen. Die beschädigte Kapsel kehrt unbemannt heim. Die Sojus habe am Sonntag nach insgesamt 4,2 Millionen Flugkilometern seit dem Start vom Kosmodrom Baikonur in Kasachstan angedockt, teilte die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos mit. Vor dem Hintergrund der beschädigten Fähre betonte ein Sprecher erneut auch die Gefahr für die Raumfahrt durch kosmischen Schrott: Etwa 130 Millionen nicht funktionstüchtige menschengemachte Objekte befänden sich Berechnungen zufolge derzeit im erdnahen Orbit, hieß es. Bei der Forschungsstation ISS rund 400 Kilometer über der Erde arbeiten die USA und Russland zwar seit mehr als 20 Jahren eng zusammen, das Verhältnis ist seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine vor rund einem Jahr aber in eine schwere Krise geraten. Der jetzige Start der Rettungskapsel erfolgte genau am Jahrestag des Kriegsbeginns. Das hat Experten zufolge jedoch technische Gründe.
Europas früherer Raumfahrtchef Jan Wörner hofft auf künftig wieder mehr Zusammenarbeit. „Eine Brücke über aufgewühltem Wasser – oder, um es mit den Musikern Simon & Garfunkel zu sagen: ,Bridge over Troubled Water’, dieses Lied sollte ein Sinnbild für die Raumfahrt sein“, sagte Wörner. Klimawandel und Kriege gefährdeten die Menschheit. „Wir brauchen mehr Zusammenarbeit, um unseren blauen Planeten für den Menschen zu erhalten.“ Der deutsche Raumfahrer Reinhold Ewald wies vor der aktuellen Mission auf die trotz des Ukraine-Kriegs pragmatisch weiterlaufende Kooperation zwischen Nasa und Roskosmos hin: „Die Lage ist schlimm genug. Das ist vielleicht ein Hoffnungsschimmer, dass man sich wieder annähert.“
Am heutigen Montag sollten zwei US-Amerikaner, ein Russe und ein Emirati gemeinsam zur ISS aufbrechen. Vorgesehene Startzeit für die vier Raumfahrer war um 7.45 Uhr MEZ an Bord eines „Crew Dragon“ der privaten Raumfahrtfirma SpaceX von Elon Musk vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida. sas/dpa