Nie wieder Hausaufgaben?

von Redaktion

Linken-Chefin Wissler will sie abschaffen – Bayerns Kultusminister Piazolo ist dagegen

Berlin/München – Millionen Schüler werden sie für diesen Vorstoß lieben – darunter mutmaßlich auch einige Erstwähler: Die Linken-Vorsitzende Janine Wissler hat sich für die Abschaffung von schulischen Hausaufgaben ausgesprochen.

Viele Eltern gerieten mit der heimischen Lernhilfe an ihre Grenzen, argumentiert die Politikerin. „Der alltägliche Hausaufgaben-Stress vergiftet das Familienleben, bedeutet Streit, Überforderung, Tränen und schürt Aggressionen“, schrieb Wissler jetzt in einem Gastbeitrag für den „Tagesspiegel“ (Samstagsausgabe). Das gelte für alle Eltern und ganz besonders für Vollberufstätige und Alleinerziehende, fügte Wissler hinzu. „Wenn Eltern Feierabend haben, haben sie noch lange nicht Feierabend“, so die Politikerin, die Hausaufgaben als „Outsourcing schulischer Aufgaben in die Familien“ bezeichnete. Das vertiefe die Spaltung im Bildungssystem noch, wie das Homeschooling während der Corona-Krise deutlich gezeigt habe.

Schließlich seien viele Eltern gar nicht in der Lage, die Kinder am Nachmittag bei den Aufgaben unterstützend zu begleiten – etwa weil sie arbeiten müssten oder es ihnen an entsprechenden Sprachkenntnissen fehle, argumentierte Wissler. „Das Bildungsniveau der Eltern darf nicht entscheidend sein für die Erfüllung schulischer Aufgaben.“ Eine potenzielle Überforderung der Eltern schaffe laut Wissler Probleme für die Kinder. So würden „Fehler beigebracht und Kinder oft mehr verwirrt als geschult“. Teils fehle im heimischen Umfeld auch ein ruhiger Ort, an dem Schüler ihre Aufgaben erledigen könnten – etwa bei Kindern, die als Geflüchtete in Gemeinschaftsunterkünften mit wenig Privatsphäre leben. Studien zufolge hätten Hausaufgaben zudem kaum einen oder gar keinen positiven Effekt auf die Lernleistung, wie Janine Wissler in ihrem Beitrag anführte. „Aus Hausaufgaben müssen Schulaufgaben werden“, verlangt Wissler.

Eine Forderung, die bei Bayerns Kultusminister Michael Piazolo auf wenig Gegenliebe stößt. „Zugegeben, auch ich als Schüler war nicht immer glücklich, mich am Nachmittag noch an den Schreibtisch setzen zu müssen, um Mathematikaufgaben zu rechnen oder Vokabeln zu lernen“, gestand Piazolo auf Anfrage unserer Zeitung. „Aber mir wurde auch klar: Hausaufgaben helfen beim Lernen. Auch als Kultusminister halte ich Hausaufgaben für sinnvoll.“ Man könne damit Lernprozesse vertiefen und unterstützen. Schülerinnen und Schüler würden zudem den Lernstoff üben und wiederholen, so der Minister.

Allerdings schränkte Piazolo ein: „Sinnvoll sind Hausaufgaben aber nur, wenn sie ein gewisses Maß nicht übersteigen. In Bayern legen die Schulordnungen fest, dass die Zeit für Hausaufgaben in einem angemessenen Rahmen bleiben muss. Hilfreich ist, wenn die Lehrkräfte sich dabei gut abstimmen.“

In deutschen Schulordnungen lassen sich Hausaufgaben vereinzelt schon im 15. Jahrhundert nachweisen. Ihre Erfindung wird dem venezianischen Lehrer Roberto Nevilis nachgesagt. Er soll sich 1095 über den schulischen Lernerfolg seiner Schüler geärgert haben – mit Folgen.  sas

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