Bogotá – „Milagro, Milagro – Wunder, Wunder“, schallt es in der Einsatzzentrale aus dem Funkgerät, als Soldaten und Indigene nach 40 Tagen verzweifelter Suche vier Kinder im tiefsten Urwald Kolumbiens endlich gefunden haben. „Da spürte ich Frieden in meiner Seele, weil wir das Richtige getan hatten, weil wir trotz der Schwierigkeiten, sie zu finden, und trotz der Ohnmacht, die wir empfanden, nicht aufgegeben hatten“, sagte der General der Spezialeinsatzkräfte, Pedro Sánchez.
Die Geschichte der geretteten Geschwister im Alter von 13, neun und fünf Jahren sowie einem Jahr grenzt in doppelter Hinsicht an ein Wunder: Zunächst überleben alle Geschwister den Flugzeugabsturz, bei dem ihre Mutter, der Pilot und ein weiterer Erwachsener ums Leben kommen. Anschließend überstehen sie 40 Tage im dichten kolumbianischen Dschungel.
Suchtrupps hatten die Kinder am Freitag im Regenwald im Süden des Landes gefunden. Sie waren am 1. Mai mit einer Propellermaschine vom Typ Cessna 206 im Department Caquetá abgestürzt. Über einen Monat lang hatten Soldaten und Indigene in dem unwegsamen Gebiet nach den Geschwistern gesucht.
„Dichter Dschungel, erdrückende Hitze, viele Pflanzen oder Tiere, die gefährlich sein könnten, und Dutzende anderer Risiken“, beschrieb Carlos Villegas vom Zivilschutz die Bedingungen bei dem Sucheinsatz. „Alles stellt eine Gefahr dar. Wir wussten nicht, ob es dort kriminelle Banden oder Minen gibt. Das Klima ist tropisch und feucht, sodass man den ganzen Tag nass ist, nachts wird es kalt, und man ist immer noch nass. Der Dschungel ist sehr dicht, man kann nicht einfach laufen, man muss sich mit der Machete den Weg frei schlagen.“
Im Laufe der Wochen entdeckten die Suchmannschaften Schuhe, Windeln, Haargummis, eine lila Schere, eine Babyflasche, eine aus Blättern und Ästen gebaute Notunterkunft sowie halbverzehrte Früchte und Fußspuren im Schlamm, so konnten sie die Route der Kinder rekonstruieren. Schließlich fanden sie die Geschwister fünf Kilometer Luftlinie von der Absturzstelle entfernt.
Das Militär warf Lebensmittel und Hilfsgüter aus der Luft über dem Dschungel ab, über Lautsprecher wurde eine Botschaft der Großmutter in der indigenen Sprache der Kinder abgespielt – sie hatte vor allem auf die älteste Tochter vertraut. „Sie war immer wie die Mutter, sie hat die anderen mit in den Wald genommen“, sagte sie. „Sie kennt die Pflanzen und Früchte. Wir Indigene lernen von klein auf, welche man essen kann und welche nicht.“ Die Kinder hätten sich im Dschungel von Maracujas und Mangos ernährt, teilten die Streitkräfte mit. Zudem verbrauchten sie einen Vorrat von drei Kilogramm Maniokmehl aus dem Flugzeug. „In den Tagen nach dem Absturz aßen sie das Mehl, das sie mitgenommen hatten“, sagte General Pedro Sánchez. Irgendwann seien ihnen die Vorräte ausgegangen.
Der Zustand der Kinder ist stabil. „Ich habe sie besucht. Sie sind sehr erschöpft, die Armen“, sagte ihr Großvater Fidencio Valencia, nachdem er seine Enkel im Krankenhaus getroffen hatte. „Sie schlafen. Sie sind unterernährt. Sie sind dünn, sehr dünn.“ Nach der Rettung wurden die Kinder in die Hauptstadt Bogotá gebracht und im Militärhospital untersucht und behandelt. „Angesichts der Umstände sind sie in einem akzeptablen Zustand“, sagte der Militärarzt Carlos Rincón Arango. „Sie haben mehrere leichte Verletzungen und sind unterernährt. Wir machen jetzt eine Reihe pädiatrischer Untersuchungen und bringen sie wieder zu Kräften.“