Rom – Eine sympathische Eigenheit der Italienerinnen und Italiener ist: Sie können stundenlang nur über das Essen reden. Die Küche, Kochen und das Gekochte verzehren ist eine mindestens kulturelle, manchmal existenzielle Frage in Italien. Seit 1953 gibt es eine Institution, die sich vorgenommen hat, die kulinarischen Schätze in Italien für die Allgemeinheit zu bewahren. Die Accademia italiana della cucina in Mailand listet alphabetisch und nach den 20 Regionen des Landes geordnet auf ihrer Internetseite hunderte Gerichte italienischer Spezialitäten auf.
Nun ist etwas Unerhörtes geschehen: Die Akademie hat das Originalrezept für Bolognese-Sauce geändert. Das mutet für manche Puristen in etwa so an, als würde das italienische Kultusministerium die Skulptur des David von Michelangelo der Moderne anpassen oder dem Kolosseum eine Überdachung verpassen. Die Hüter der italienischen Küche haben das Sakrileg begangen, für das Originalrezept nun auch Brühwürfel oder im Supermarkt erworbenes gemischtes Hackfleisch für die Zubereitung des ragù zuzulassen. In Italien heißt die Sauce nämlich nicht bolognese, sondern ragù alla bolognese. Bislang war im ragù nur eine Kombination aus Karotten und Sellerie, keinesfalls aber Zwiebeln, Knoblauch oder Petersilie gestattet. Manche Brühwürfel haben diese Zutaten allerdings.
Es geschieht viel Übel in der Welt. Dass nun aber auch eine Gewissheit wie die Bolognese-Sauce dem Wandel der Zeiten unterworfen wird, ist für manche zu viel. In den Sozialen Netzwerken gibt es Diskussionen, Traditionalisten verlangen eine Rückkehr zum wahren ragù. Doch es ist zu spät. Die für das ragù zuständige Studiengruppe der Accademia italiana della cucina, die 50 Originalrezepte unter die Lupe nahm und gleichzeitig die Gewohnheiten der Familien des 21. Jahrhunderts berücksichtigen will (Brühwürfel, Hackfleisch aus dem Supermarkt), hat die Änderung bereits bei der Handelskammer Bologna hinterlegt. jmm