Berlin/Stuttgart/München – Freibäder sind keine gefährlichen Orte, darin besteht Einigkeit. Trotzdem muss ab und zu die Polizei eingreifen, weil meist junge Männer sich schlagen oder den Sprungturm stürmen. Zuletzt eskalierte am frühen Sonntagabend ein Streit im Columbiabad in Neukölln. Die Einrichtung wurde geräumt und frühzeitig geschlossen. Vermutlich bleibt das auch in den nächsten Tagen so – dabei ist der Sommer gerade erst gestartet. Jetzt reagiert auch die Politik.
„Das Bad ist derzeit aus betrieblichen Gründen geschlossen“, ist auf der Internetseite des Columbiabades zu lesen. Als Grund wird der hohe Krankenstand bei den Mitarbeitern genannt. Laut einem Bericht des „Tagesspiegel“ hat sich die Belegschaft des Bades bereits Mitte Juni in einem Brief an die Führung der Bäder-Betriebe gewandt. Darin ist der Zeitung zufolge von einem „untragbaren Ausmaß der Umstände“ die Rede, unter anderem von „verbalen Attacken“ sowie „Spucken und Pöbeln“. Täglich werde die Hausordnung „vorsätzlich missachtet“. Mitarbeitern, Frauen, Minderheiten, besonders trans und queeren Menschen, werde immer häufiger Gewalt angedroht. Das Sicherheitspersonal sei überfordert und nicht in der Lage, Hausverbote durchzusetzen oder Straftaten anzuzeigen. Nach solchen Vorfällen steige die Krankenquote stark an.
Jetzt hat sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) für Polizeipräsenz in den Einrichtungen ausgesprochen. Der Rechtsstaat müsse gerade in öffentlichen Schwimmbädern, wo viele Kinder und Jugendliche seien, hart gegen Gewalt vorgehen, sagte Faeser gestern. „Das heißt auch: Polizeipräsenz. Ich will das ganz deutlich sagen“, betonte Faeser. Die Ministerin verwies zudem auf die große Bedeutung von Prävention. Es müsse „ganz früh“ dafür gesorgt werden, dass Kinder und Jugendliche nicht gewalttätig werden. „Kinder sind von sich aus nie gewalttätig, sie werden durch Umstände so gemacht“, so Faeser. Konkret müsse nach möglichen Ansatzpunkten in Kitas und Schulen geschaut werden, auch Prävention gegen häusliche Gewalt sei an dieser Stelle wichtig. Die Berliner Grünen-Fraktion forderte ein Hausverbot für Gewalttäter. Wenn „einige Hitzköpfe“ in den Bädern immer wieder bewusst über die Stränge schlagen würden, sei das nicht hinnehmbar, hieß es gestern aus Berlin.
„Ja, die Behörden könnten härter durchgreifen, aber alleine mit härteren Strafen und Strafmaßnahmen ist keine Schule zu machen“, betonte der Berliner Sozialarbeiter Kazim Erdogan. „Ich bin mir sicher, wenn ich zu den Familien dieser jungen Menschen gehen würde und das darstelle, was sich abgespielt hat, dann werden 90 Prozent der Familien sagen, wir haben davon nichts gewusst“, so Erdogan. „Ich schreie seit Jahrzehnten, dass wir Kontakt zu den Familien aufnehmen müssen.“ . Nicht nur in Berlin kommt es zu Übergriffen und Gewalt am Beckenrand, auch im Südwesten steigt die Zahl der Sexualdelikte, der Schlägereien und Diebstähle in Freibädern. Zwei Unbekannte tauchten im Juni einen Zwölfjährigen in einem Mannheimer Freibad unter Wasser, die Sache eskalierte zu einer Massenschlägerei. Vor zwei Wochen schlugen Unbekannte dem Bademeister eines Freibades bei Karlsruhe einen Zahn aus, weil er sie kurz vor Schluss gebeten hatte, das Bad zu verlassen.
In den Münchner Bädern seien größere Konflikte bis dato „erfreulicherweise nicht zu vermelden“, wie SWM-Pressesprecherin Bettina Hess auf Anfrage unserer Zeitung bestätigte. „Bei bis zu einer Million Besuchern im Jahr in unseren Freibädern ist es aber schlicht nicht zu vermeiden, dass unter den vielen Menschen auch einige sind, die Konflikte austragen wollen“ so Hess weiter. „Unser Personal vor Ort berichtet jedoch auch, dass der Umgangston in einzelnen Bädern angespannter und rauer wird.“ sas