Trient – Über 100 Jahre lag er im Eis: Jetzt hat die Gletscherschmelze die Überreste eines österreichischen Soldaten in den Bergen des Adamello-Massivs in der italienischen Provinz Trentino-Südtirol freigegeben. Ein Zeugnis einer unerbittlichen Gebirgsschlacht, die während des Ersten Weltkrieges in über 3000 Metern Höhe geführt wurde. Italienische Gebirgspolizisten und Bergretter aus Madonna di Campiglio-Carisolo entdeckten die Überreste eines verwesten Soldaten auf 2935 Metern Höhe in der Adamello-Gruppe am Lares-Gletscher, der dieses Jahr einmal mehr schmilzt wie noch nie.
Das Skelett, die Uniform und ein Teil der Ausrüstung waren noch fast intakt. Auch einige österreichische Münzen lassen kaum einen Zweifel aufkommen, dass es sich um einen Soldaten der Kaiserlich-Königlichen österreichisch-ungarischen Armee gehandelt haben muss. Von 1915 bis 1918 tobte zwischen Stilfser Joch, Gardasee, quer durch die Dolomiten bis nach Slowenien ein unbarmherziger Gebirgskrieg.
Die Front folgte der italienisch-österreichischen Grenze, wie sie vor dem Ersten Weltkrieg bestand. Die bereits mit dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn im Kriege befindlichen Staaten Russland, Frankreich und Großbritannien hatten Italien mit Gebietsversprechungen dazu überredet, in den Alpen anzugreifen. Die Folge war ein Stellungskrieg auch in der bis zu über 3500 Meter hohen Adamello-Gruppe. Auch deutsche Soldaten, viele aus Bayern, wurden zur Unterstützung der Österreicher im Gebirge eingesetzt. Die Gipfel um den Lares-Gletscher wurden von den Italienern 1916 bis 1917 blutig erobert, Österreich-Ungarn schlug sie 1918 wieder zurück. Noch heute erinnern verrostete Kanonen auf den Gipfeln an den Krieg, in die Felsen wurden Schützengräben und Höhlen gesprengt.
Die Überreste des Toten wurden auf den Friedhof von Trient überführt. Die archäologische Abteilung der Provinz versucht jetzt, die Geschichte des Soldaten zu rekonstruieren, auch eine Autopsie ist in der Leichenhalle geplant. JOHANNES WELTE