„Turismofobia“ in Spanien: Der Hass auf Besucher wächst

von Redaktion

Barcelona – „Man sollte sie alle zum Teufel jagen! Die Engländer und die Deutschen sind die schlimmsten, die machen uns das Leben zur Hölle hier“, schimpft die Frau in den Achtzigern, die nahe des Park Güell in Barcelona ihre Einkaufstüten nach Hause schleppt. Im Café stimmt ein älterer Herr zu. Er ruft: „Von meinem Balkon spucke ich auf das Gesindel.“

Es schwer, in Barcelona einen Einheimischen zu finden, der den wachsenden Tourismus nicht satthat. Das Wort „Turismofobia“ (Tourismusphobie) macht in Spanien – dem beliebtesten ausländischen Reiseziel der Deutschen – die Runde. In den Tourismusregionen wird die Ablehnung immer offener zur Schau getragen.

Vielerorts gibt es Proteste und Aktionen. Etwa auf Mallorca, wo eine Gruppe an der Küste Touristen im August von den Stränden zu verscheuchen versuchte, indem sie Schilder aufstellte, auf denen ein Badeverbot mitgeteilt oder vor „gefährlichen Quallen“ gewarnt wurde.

Nirgendwo ist der Verdruss aber wohl so unübersehbar wie in Vila de Gràcia in Barcelona. Überal prangt in großen Lettern die Aufforderung: „TOURISTS GO HOME“. „Eine radikale Minderheit“, mag der Besucher denken. Mitnichten, versichert Ester vom Nachbarschaftsverband. Immer mehr Menschen eilen herbei, um ihrem Unmut Luft zu machen. Eine Frau klagt: „Viele Besucher betrinken sich und werden übergriffig.“ In Barcelona, aber sogar in Santiago de Compostela häufen sich die Klagen über Besucher, die im Ballermann-Stil bis frühmorgens betrunken unterwegs sind.

Politik und Wirtschaft sind sich des Problems bewusst. „Die Tourismusphobie auf den Kanaren wird langsam besorgniserregend“, meinte die regionale Tourismusministerin Jessica de León. Der in Barcelona für Wirtschaftsförderung zuständige Stadtrat Jordi Valls räumte im Interview der Zeitung „La Vanguardia“ derweil ein: „Gibt’s eine Grenze für den Tourismus in Barcelona? Ja, die gibt es. Haben wir diese Grenze erreicht? Wahrscheinlich.“

Eines steht fest: Von allein wird sich die Lage nicht entspannen. Spanien steht dieses Jahr nach Schätzung vor einem neuen Rekordjahr mit so vielen ausländischen Besuchern wie noch nie zuvor. 85 Millionen. Der Sektor macht zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.  dpa

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