Aufstand der Flutopfer

von Redaktion

Unübersichtliche Lage nach Katastrophe in Libyen – Demonstranten fordern Aufklärung

Bengasi – Auch mehr als eine Woche nach der verheerenden Flutkatastrophe in Libyen ist die Lage im Osten des Landes sehr unübersichtlich. Und die Volksseele kocht: Mit dem Voranschreiten der Aufräumarbeiten stieg auch die Wut unter den Bürgern: Hunderte aufgebrachte Menschen forderten vor einer Moschee im Zentrum der verwüsteten Hafenstadt am Montagabend, dass die Verantwortlichen der Katastrophe zur Rechenschaft gezogen werden, wie Aufnahmen des libyschen TV-Senders Al-Masar zeigten. Laut Augenzeugen versuchten Demonstranten, das Haus des inzwischen suspendierten Bürgermeisters Abdel-Monim al-Ghaiti in Brand zu setzen.

In Folge des Sturms „Daniel“ waren zwei Dämme in Darna gebrochen. Ganze Viertel der 100 000 Einwohner zählenden Stadt wurden durch die Wassermassen weggespült. Den Behörden wird vorgeworfen, die Dämme nicht ordnungsgemäß instand gehalten und somit zur Katastrophe beigetragen zu haben. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf.

Nach Angaben einer Expertin war mindestens einer der beiden Dämme aus Erde und nicht aus Zement gebaut. „Der Damm, der kollabierte, war nur aus Sand und Steinen gebaut“, schrieb Claudia Gazzini von der Denkfabrik International Crisis Group am Dienstag bei X, vormals Twitter. „Der Kontrollturm und der riesige Abwasserkanal waren aus Zement, und beide stehen noch.“

Während die Rettungs- und Bergungsarbeiten laufen, ergreifen die Behörden neue Maßnahmen, um die Katastrophe in den Griff zu bekommen. Das Gesundheitsministerium der Regierung im Osten teilte am Dienstag der Nachrichtenseite „Al-Marsad“ zufolge mit, dass die stark betroffene Hafenstadt Darna in drei Zonen eingeteilt wurde. Das Risiko von Krankheitsausbrüchen wuchs unterdessen weiter.

Die am stärksten betroffene Gegend in Darna wurde am Dienstag für unbewohnbar erklärt. Sie dürfe nur noch von Rettungsteams betreten werden, hieß es. Auch die „fragile Zone“ – eine weitere Gegend, die stark von Wasser durchflutet wurde –stelle eine Gefahr für die Bewohner dar. Die dritte und letzte Zone wurde von dem Ministerium als sicher und bewohnbar erklärt.

Gleichzeitig berichteten Journalisten und Aktivisten am Dienstag, sie seien aufgefordert worden, die Katastrophengebiete zu verlassen. Eine Journalistin des saudischen Fernsehsenders Al-Hadath sagte, bis Dienstagmittag müssten alle Journalisten Darna verlassen. Als Grund hätten die Behörden im Osten eine mögliche Behinderung der Rettungsarbeiten und die Gefahr einstürzender Gebäude genannt. Teils wird vermutet, dass Berichte über die Demonstration vom Vorabend der Auslöser gewesen sein könnte. Der Innenminister der Regierung im Osten, Issam Abu Sariba, sagte gegenüber Al-Hadath aber, dass Journalisten wie gewohnt in der Stadt arbeiteten. Der Gesundheitsminister der libyschen Behörden im Ostteil des Landes, Othman Abdel Dschalil, sagte am Dienstagabend, man habe Sicherheitskräfte gebeten, diesen Bereich zu isolieren, um Journalisten und Zivilisten zu schützen und um Rettungsteams die Möglichkeit zu geben, ihre Arbeit zu erledigen.

Laut Weltgesundheitsorganisationwurden rund 4000 Todesopfer identifiziert. Die Regierung bezifferte die Zahl der offiziell registrierten Toten am Dienstagabend mit 3351. Zehntausende Menschen wurden durch die Katastrophe obdachlos. Man müsse damit rechnen, Tausende von Leichen unter den Trümmern im Schlamm zu finden.

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