Stockholm/Teheran – Der Friedensnobelpreis 2023 geht an die inhaftierte iranische Frauenrechtlerin Narges Mohammadi. Mohammadi werde für „ihren Kampf gegen die Unterdrückung von Frauen im Iran und ihren Kampf für Menschenrechte und Freiheit für alle“ geehrt, sagte die Vorsitzende des Nobelkomitees, Berit Reiss-Andersen, am Freitag in Oslo. Das Nobelkomitee sprach sich für die Freilassung der Journalistin und Aktivistin aus.
Mohammadi spielt eine zentrale Rolle im Kampf für Frauenrechte und Meinungsfreiheit in ihrem Land. Sie setzt sich gegen das verpflichtende Tragen eines Kopftuches sowie gegen die Todesstrafe im Iran ein. Dafür wurde sie seit 1998 wiederholt inhaftiert. Seit November 2021 sitzt sie wegen „Propaganda gegen den Staat“ in Haft.
Die 51-Jährige ist die Vize-Präsidentin des von der iranischen Menschenrechtsaktivistin Shirin Ebadi gegründeten Zentrums zur Verteidigung der Menschenrechte. Ebadi selbst war 2003 mit dem Friedensnobelpreis für ihre Bemühungen um Demokratie und Menschenrechte geehrt worden. Mohammadis „tapferer Kampf“ erfordere einen hohen persönlichen Preis, sagte Reiss-Andersen. Insgesamt sei die Menschenrechtlerin 13 Mal festgenommen und fünf Mal verurteilt worden. Ihre Strafen betrügen zusammengerechnet „31 Jahre Gefängnis und 154 Peitschenhiebe“, sagte die Nobelkomitee-Vorsitzende.
Reiss-Andersen forderte den Iran zur Freilassung der Preisträgerin auf. Das wäre die „richtige Entscheidung“, bekräftigte sie. Auf diese Weise könne Mohammadi bei der Preisverleihung im Dezember anwesend sein. Der Preis würdige auch „hunderttausende von Menschen, die im vergangenen Jahr gegen die Diskriminierungs- und Unterdrückungspolitik des theokratischen Regimes gegenüber Frauen demonstriert haben“, betonte Reiss-Andersen. Das Außenministerium in Teheran bezeichnete die Auszeichnung am Freitag in einer Mitteilung als „parteiisches und politisch motiviertes Vorgehen“.
Mohammadis Auszeichnung erfolgt vor dem Hintergrund einer Protestwelle, die den Iran nach dem Tod in Polizeigewahrsam der jungen Kurdin Mahsa Amini vor einem Jahr erschüttert hat. Die Sittenpolizei hatte Amini wegen eines angeblich zu locker getragenen Kopftuchs festgenommen. Die Vereinten Nationen erklärten, die Verleihung des Preises an die 51-Jährige richte den Blick auf den Mut iranischer Frauen. Das Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte (OHCHR) schloss sich der Forderung nach Mohammadis Freilassung an: „Wir rufen zu ihrer Freilassung auf und zur Freilassung aller im Iran inhaftierter Menschenrechtsverteidiger“, erklärte das OHCHR.
Mohammadis Familie sprach von einem „historischen und tiefgreifenden Moment für den Kampf des Irans für Freiheit“. Die Ehre gebühre allen Iranern und „insbesondere den mutigen Frauen und Mädchen“, welche die Welt „mit ihrem Mut im Kampf für Freiheit und Gleichheit inspiriert haben“, erklärte die Familie am Freitag auf Instagram.
Noch am ersten Todestag von Mahsa Amini organisierten Mohammadi und mehrere Mithäftlinge eine Protestaktion im Ewin-Gefängnis und verbrannten im Gefängnishof ihre Kopftücher. Seine Frau sei „die entschlossenste Person, die ich kenne“, sagt ihr Ehemann Taghi Rahmani, der 2012 nach Frankreich floh und später auch die Zwillinge Kiana und Ali nachholte. Ihre Kinder hat sie seit acht Jahren nicht mehr gesehen. „Ich habe fast keine Aussicht auf Freiheit“, schrieb Mohammadi im September aus der Haft an die Nachrichtenagentur AFP.