Stockholm – Alzheimer ist die häufigste Form der Demenz weltweit. Allein im kleinen Schweden wird die Krankheit jedes Jahr bei 20 000 Menschen diagnostiziert. In Deutschland leben rund 1,8 Millionen Menschen mit Demenz. Neue Hoffnung gibt es nun aus Schweden, wo eine Studie bahnbrechend frühzeitige Warnsignale identifiziert hat.
Tückisch: Alzheimer beginnt zunächst ohne Symptome. Bis die ersten Anzeichen auftreten, können schon Jahrzehnte vergangen sein. Bei Personen, die symptomfrei Alzheimer in sich tragen, ist laut der neuen Studie aus Schweden der Energiestoffwechsel in einem Teil des Gehirns – dem sogenannten Hippocampus – deutlich erhöht. Das kann bei den Betroffenen laut der Studie, die in der Fachzeitschrift „Molecular Psychiatry“ veröffentlicht wurde, gemessen werden. Die Forscher vom Karolinska Institut (das auch die Nobelpreise vergibt) zeigen, dass ein erhöhter Energieumsatz in den Energiefabriken der Zellen – den Mitochondrien – ein frühes Anzeichen für Alzheimer ist. Wenn es rechtzeitig getestet wird, kann gegengesteuert werden.
Die Forscher arbeiteten mit Mäusen, bei denen sich die Krankheit im Laufe der Zeit ähnlich wie beim Menschen entwickelt. Auf den erhöhten Energiestoffwechsel bei jungen Mäusen mit der Krankheit folgen dann Veränderungen in den Verbindungen zwischen den Nervenzellen, den sogenannten Synapsen. Wenn die Krankheit schon länger besteht, neigt der Energiestoffwechsel dazu, abzunehmen, was zum Abbau der Synapsen beiträgt. Dies konnten die Forscher auch bei den älteren Mäusen beobachten, bei denen die Krankheit weiter fortgeschritten war. „Alzheimer beginnt sich 20 Jahre vor dem Auftreten von Symptomen zu entwickeln, sodass es wichtig ist, das frühzeitig zu erkennen. Hier kann ein veränderter Stoffwechsel ein diagnostischer Faktor sein“, sagt Per Nilsson, Forscher in der Abteilung für Neurobiologie am Karolinska Institut. Forscherin Maria Ankarcrona ergänzt: „Interessanterweise ist ein veränderter Energiestoffwechsel sichtbar, bevor sich unlösliche Plaques im Gehirn gebildet haben, was ein Merkmal der Krankheit ist.“ Mithilfe der RNA-Sequenzierung erhielten die Forscher ein Bild davon, welche Gene in den Zellen des Hippocampus in verschiedenen Stadien der Krankheit aktiv sind. Sie fanden heraus, dass zu Beginn der Erkrankung zunächst ein erhöhter Energiestoffwechsel in den Mitochondrien stattfindet. Die daraufhin eingetretenen Veränderungen in den Nervenzellverbindungen wurden unter anderem mithilfe der Elektronenmikroskopie untersucht. Dabei zeigte sich, dass sich die „Bläschen“, die sogenannten Autophagosomen, in denen alte, abgenutzte Proteine abgebaut und ihre Bestandteile verstoffwechselt werden, in der Synapse angesammelt hatten. Das Ergebnis war ein eingeschränkter Zugang zu funktionierenden Proteinen.
Die Forscher werden nun die Rolle der Mitochondrien und der Autophagie bei der Entwicklung der Alzheimerkrankheit genauer untersuchen. „Diese Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, funktionierende Mitochondrien und einen normalen Proteinumsatz aufrechtzuerhalten. In Zukunft können wir an Mäusen testen, ob neue Moleküle, die die normale Funktion der Mitochondrien und der Autophagie stabilisieren, die Krankheit verlangsamen können“, erklärt Per Nilsson.
ANDRÉ ANWAR