Neapel – Seit dem Jahr 2017 zählt die Pizza Napoletana zum immateriellen Weltkulturerbe der Unesco. Bei der Pizza in Neapel handelt es sich also um eine überaus ernste Angelegenheit. Gino Sorbillo, einer der bekanntesten Pizzabäcker der Stadt, hat nun ein regelrechtes Sakrileg begangen. Er bietet in seiner Speisekarte seit einigen Wochen eine Pizza mit Ananas an.
Bekanntlich ist Pizza mit Ananas oder ohne Ananas eine Art globale Glaubensfrage. Als Sorbillo vor ein paar Wochen sein Experiment startete, hagelte es Kritik. Sein Instagram-Video, in dem er ebenso genüsslich wie provokant eine Scheibe frischer Ananas aus der Mitte einer Pizza schnitt und sich mit den Worten „è buona!“ (die ist gut!) in den Mund schob, kommentierten vor allem empörte Puristen.
Er solle doch gleich seinen Laden zumachen, meinte einer. Mit dem Ausruf „niemals!“ verteidigte ein anderer die wahre Pizza-Doktrin. „Lieber tot als Ananas auf der Pizza“, lautete ein empörter Schrei. Der schönste Ausruf war: „Wie sollen wir uns denn jetzt noch über die Amerikaner aufregen?“
Es waren zwar nicht die Amerikaner, sondern ein griechischer Auswanderer namens Sotirios „Sam“ Panopoulos, der über Neapel nach Westen zog und 1962 in Kanada erstmals die Pizza Hawaii präsentierte. Panopoulos belegte die Pizza mit Kochschinken und gab ihr den Namen der von ihm verwendeten Dosen-Ananas („The Hawaiian“). Gino Sorbillo meint, seine Vorgänger hätten jene umstrittene Zutat schlicht falsch kombiniert. „Die Ananas wird dämonisiert“, behauptet er. Vom Verwenden von Tomatensauce sieht Sorbillo ab, weil die Säure von Tomaten und Ananas sich nicht vertrage. Auch Schmelzkäse fragwürdiger Herkunft sei zu vermeiden. Sorbillo legt die frischen Ananas-Scheiben vorher zum Trocknen in den Ofen, garniert mit frischem Provolone-Käse, Olivenöl und Basilikum. Am Ende gibt er noch eine Prise sardischen Ricotta sowie Büffelmozzarella hinzu. Die Mixtur findet in Neapel offenbar mehr Gefallen als gedacht und das nicht nur bei Touristen. jmm