London – Es ist die große Tragik seines Lebens: Jahrzehntelang war Charles ein König im Wartestand, stand immer im Schatten seiner übermächtigen Mutter, der im hohen Alter von 96 Jahren verstorbenen Queen Elizabeth. Ob nach ihrem Tod am 8. September 2022 endlich sein Lebenstraum in Erfüllung gegangen ist? Gegenüber einem engen Freund soll sich der heute 75-Jährige, als er als Charles III. ihr Nachfolger wurde, bedächtig und bescheiden gegeben haben: „Ich habe mich immer gefragt, ob die Thronbesteigung jemals kommen würde, aber ich wollte sie auch keine Minute früher.“ Eine Geisteshaltung, die gut zu seinem zurückhaltenden Charakter passt. Und die ihn nun trotz des Dramas um seine Krebserkrankung, die ihn erst ein knappes Jahr nach seiner Krönung im Mai 2023 ereilt hat, gelassen bleiben lässt. Charles ist es gewohnt, geduldig zu sein und sich seinem Schicksal in Demut zu stellen. In Schockstarre zu verfallen, ist nicht seine Art.
Dabei war Charles zuletzt auf einem für ihn sehr erfreulichen Weg. Im fortgeschrittenen Alter hatte er endlich viele seiner Lebensziele erreicht. Seine über Jahre versteckte Beziehung mit Camilla, die die britische Presse lange Zeit als „Rottweiler“ titulierte, konnte er nicht nur legitimieren. Nein, das Paar schaffte es mit einer großen Portion Beharrlichkeit, von der Bevölkerung zunächst akzeptiert und inzwischen auch geliebt zu werden. Ebenso ist es Charles in den letzten beiden Jahren gelungen, seine Familie halbwegs zu befrieden. Dass sein jüngster Sohn Harry, der seit Langem eine persönliche Fehde gegen das Königshaus führt, nun zu seinem Vater ans Krankenbett eilt, kann auch als Zeichen von Charles’ Bemühungen gesehen werden, Ruhe in die Monarchie zu bringen. Harry landete gestern Mittag in London und fuhr zu seinem Vater nach Clarence House.
Dazu passt seine pragmatische Herangehensweise an sein Amt. In seiner historischen Ansprache an die Nation am 9. September 2022, nur einen Tag nach dem Tod seiner Mutter, gelobte Charles: „Wie es die Königin selbst mit so unerschütterlicher Hingabe getan hat, verpflichte auch ich mich jetzt für die übrige Zeit, die Gott mir gewährt, die verfassungsmäßigen Grundsätze im Herzen unserer Nation hochzuhalten!“ Eherne Prinzipien, die Charles III. auch während seiner Krankheit einhalten will. Zwar hat er sämtliche öffentlichen Auftritte vorerst abgesagt, aber die wöchentlichen Audienzen mit Premierminister Rishi Sunak werden weiter – wenn auch über Telefon – stattfinden. Außerdem will er soweit möglich „Papierkram“ erledigen. Zu seiner verantwortungsbewussten Haltung gehört auch, dass er seinen Sohn und Thronerben Prinz William gebeten hat, wieder öffentliche Auftritte zu übernehmen, obwohl der 41-Jährige selbst wegen der Erkrankung seiner Frau Kate eine Auszeit bis Ostern eingeplant hatte.
Transparenz, Offenheit und Bescheidenheit sind die Tugenden, die das Königshaus seit Charles‘ Amtsantritt vorgelebt hat. Eigenschaften, die das Ansehen und den Respekt in der britischen Bevölkerung gefördert haben. Und die jetzt für die baldige Genesung von König Charles III. beten wird.