Hatay/Istanbul – Ausgerechnet am Tag der Trauer, als die Türkei der zehntausenden Toten des schweren Erdbebens vor einem Jahr gedenkt, fallen in Istanbul Schüsse. Mitglieder der linksextremistischen DHKP-C, eine Frau und ein Mann, sollen versucht haben in das berühmte Gerichtsgebäude Caglayan einzudringen – um einen Terroranschlag zu verüben, heißt es von der Polizei. Bei Gefechten töten Polizisten die beiden Angreifer.
Auf Bildern ist zu sehen, wie Menschen panisch in das Gebäude flüchten, während vor dem Gericht Schüsse zu hören sind. Ein Polizeihubschrauber kreist über dem Gebäude. Die Rundfunkbehörde RTÜK verhängt eine Nachrichtensperre. Eine Frau stirbt im Krankenhaus, mehrere weitere Menschen haben mit Verletzungen zu kämpfen. Die DHKP-C hat bereits in der Vergangenheit Anschläge in der Türkei verübt, erklärt Innenminister Ali Yerlikaya später. Nach Angaben des Justizministers wurden 34 Menschen festgenommen.
Währenddessen trauern die Menschen mehr als 1000 Kilometer Richtung Südost, in der Provinz Hatay, um die zehntausenden Toten des verheerenden Erdbebens in der Türkei und Nordsyrien. Anwohner erinnerten um 4.17 Uhr an die Opfer – just zu jenem Zeitpunkt, an dem das erste schwere Beben die Region vor einem Jahr erschüttert hatte.
In der Stadt Antakya riefen Menschen im Chor: „Hört jemand unsere Stimmen?“ – den Satz hatten auch Retter vor einem Jahr gerufen, als sie tagelang nach Verschütteten suchten. Heute steht er dafür, dass sich viele Überlebende in der Region ignoriert und ihrem Schicksal überlassen fühlen.
Der Regierung unter Führung der islamisch-konservativen AKP wird vorgeworfen, zu spät Retter und Hilfe in die betroffene Region im Südosten des Landes geschickt zu haben und nun auch den Wiederaufbau in der Provinz Hatay und ihrer Hauptstadt Antakya nur zögerlich voranzutreiben.
Erdogan hatte versprochen, den schnellen Wiederaufbau in der Region voranzutreiben. Doch die Menschen vor Ort leiden noch immer stark unter den Folgen des Bebens. Sie klagen über fehlende Hilfen wie Lebensmittel- oder Kleiderspenden. Bei der Gedenkfeier in Antakya wurde die Regierung immer wieder ausgebuht – und als Mörder bezeichnet.