Lübeck – Wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch seines Sohnes hat das Landgericht Lübeck einen Ex-Staatsanwalt zu einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Davon gelten vier Monate bereits als verbüßt, wie die Vorsitzende Richterin Helga von Lukowicz gestern urteilte. Die 7. Große Strafkammer glaubt damit nicht den früheren Einlassungen des Angeklagten, wonach er die Tat beim Schlafwandeln begangen haben will. In dem Ende Januar gestarteten Prozess hatte sich der 52 Jahre alte Mann nicht zu den Vorwürfen geäußert.
Mit seinem Urteil folgte das Landgericht der Nebenklage, nämlich der Mutter in Vertretung des minderjährigen Sohns. Diese hatte eine Verurteilung des Mannes wegen schweren sexuellen Missbrauchs des damals acht Jahre alten Jungen gefordert. Staatsanwalt und Verteidigung des Angeklagten forderten einen Freispruch.
In dem Prozess ging es weniger um die sexuellen Handlungen selbst, sondern um die Umstände in jener Nacht Ende März 2019 im Schlafzimmer der Familie. „Er fasste in die Pyjamahose des Jungen, berührte dessen Geschlechtsteil und auch den Anus des Jungen“, hieß es in der Anklage. Kurz darauf soll der Vater das Schlafzimmer verlassen haben. Als ihn seine Ehefrau am nächsten Morgen mit den Vorwürfen konfrontierte, habe der Angeklagte keine Erinnerung mehr an den Vorfall gehabt. Später zeigte er sich selbst an. Seine Frau reichte die Scheidung ein. „Wir gehen davon aus, dass die Tat als dysfunktionale Bewältigungsstrategie zu verstehen ist“, sagte die Richterin. Der Mann habe beruflich unter Druck gestanden, und die Ehe sei am Ende gewesen. „Der gewaltsame Missbrauch des Sohnes gab ihm für einen Moment das Machtgefühl zurück.“ Es habe sich um eine Spontan-Tat in einer Situation besonderer Belastung gehandelt. Lange Zeit hatte es nicht so ausgesehen, als müsse sich der 52-Jährige überhaupt vor einem Gericht verantworten. Denn sowohl die Kieler Staatsanwaltschaft selbst als auch die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein sahen eine Verurteilung des Juristen als nicht wahrscheinlich an. Unbestritten war laut Behörde aber, dass eine Handlung stattgefunden hat. Die Mutter des Kindes hatte aber im sogenannten Klageerzwingungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Erfolg. Deshalb musste die Staatsanwaltschaft Anklage erheben.