Mainz – „Muschi“, „Baby“ und „Honigschnecke“. Hört man solche Liebesbekundungen zufällig mit, reagiert man wohl zunächst befremdet – selbst, wenn man ähnliche Worte für seine(n) Liebste(n) benutzt. Aber solche sogenannten Intimnamen sind auch nicht für Fremde bestimmt. „Sie entfalten ihre Kraft im Miteinander“, erläutert Namensforscherin Inga Siegfried-Schupp. Das ist bei Spitz- bzw. Kosenamen – zumindest laut Definition – anders. Spitznamen sind danach inoffizielle Namen, die in keinem Pass verzeichnet sind. Als Kosenamen wiederum bezeichnet man positive Spitznamen, negative Spitznamen nennen Forschende Spottnamen. „Auch ein Kosename kann sehr intim sein. Wenn der öffentlich wird, steckt da mitunter Sprengstoff drin“, erklärt die Sprachwissenschaftlerin vom Deutschen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Doch wie entstehen Kosenamen überhaupt? Manchmal aus einer Situation heraus, erklärt Inga Siegfried-Schupp: „Es gibt eine Art Verlaufskurve der Kosenamen.“ Da werden Ausdrücke mal mehr mal weniger häufig verwendet, andere werden zu einem zweiten Rufnamen. Kosenamen entstehen nicht nur situativ, sie können auch je nach Situation variieren. „Gerade in Paarbeziehung dürfte die größte Vielfalt herrschen“, sagt Damaris Nübling, die seit Jahren auf diesem Gebiet forscht. Wer auf offener Straße nicht das Intimste preisgeben will, benutzt dann „Liebling“ oder „Schatz“ als Platzhalter. Dass Männer seit den 1970er-Jahren erotischere Kosenamen erhalten, passt zur alllgemeinen gesellschaftlichen Aufweichung der Geschlechterrollen seit dieser Zeit.
Auch Gruppen wie der Freundeskreis, die Familie oder der Sportverein definieren durch Kose- oder Spitznamen, die sie selbst erfinden und benutzen, die Beziehung zur benannten Person. „Die Person kann sich kaum dagegen wehren“, sagt Nübling. Meist muss man sich damit arrangieren, will man nicht den Freundeskreis oder die Beziehung riskieren.
Manchmal werden Spitznamen zu Spottnamen. „Aber das ist dann meist nicht liebevoll gemeint“, erklärt Inga Siegfried-Schupp. „Ein echter Kosename sollte streicheln und von der anderen Seite auch so wahrgenommen werden“, sagt die Vorstandsvorsitzende der Gesellschaft für Namenforschung. Was nicht heißt, dass der Kosename unbedingt lieblich sein muss und immer auf einem „i“ endet – siehe Mausi und Bärli. „Es können auch mal Spinne oder Kröte dabei sein, oder Namen ironisch verwendet werden, das zeigt, dass die Beziehung belastbar ist“, sagt Damaris Nübling. Wichtig sei, dass das Gegenüber wisse, wie es gemeint ist.
Durch die Verwendung eines speziellen Namens festigt sich eine Gruppe – sei es ein Paar oder der Freundeskreis. Nicht alle dürfen daran teilhaben, man grenzt sich also ab. „Wir kämen ja nicht auf die Idee, den Kosenamen, den wir gehört haben, auch für die Person zu verwenden“, sagt Nübling.
Das Geschlecht spielt übrigens in Kosenamen kaum eine Rolle, wie Damaris Nübling erforscht hat – im Gegensatz zu klassischen Vornamen. Hier gibt es Klangmuster, die wir intuitiv anwenden, um auch fremde Namen einschätzen zu können: Frauennamen haben mehr Silben und werden seltener auf der ersten Silbe betont, sie enden häufig auf a oder e. Männernamen dagegen haben mehr Konsonanten. Wird daraus ein Spitzname, werden die Namen ähnlicher, das Geschlecht oft unidentifizierbar: Aus Christian und Christiane werden Chris oder Chrissie, aus Alexander und Alexandra wird Alex, aus Ulrich und Ulrike Uli.
Und genau so funktioniert es auch bei Kosenamen vom Typ „Schatzi“. Damaris Nübling. „Als Paar weiß man, welches Geschlecht der Partner oder die Partnerin hat, das ist für die Beziehung irrelevant.“