Wer ist Fleximan, der Radarfallen-Säger?

von Redaktion

In ganz Italien fällen Unbekannte Dutzende Blitzanlagen – Zwischen Jubel und Empörung

VON CHRISTOPH SATOR

Rom – Der Mann mit der Flex war wieder da. Oder, was wahrscheinlicher ist, die Männer. Oder auch Frauen vielleicht. So genau weiß das niemand. Jedenfalls hat Italien, Europas Radarfallen-Land Nummer eins, jetzt wieder einige Blitzer weniger: An den Straßen der norditalienischen Kleinstadt Buccinasco wurden soeben in einer einzigen Nacht vier orangefarbene Kästen mit Kameras gefällt. Was eigentlich nur eine kleine Meldung wert wäre, hat längst nationale Dimension: Italien sucht den Fleximan – so genannt nach seinem wichtigsten Werkzeug.

Seit Monaten zählt die Polizei Dutzende Fälle mithilfe eines Trennschleifers – im Handwerker-Deutsch Flex genannt – abgesägter Blitzermasten und -kästen. Manchmal fanden die Ermittler kurze Bekennerschreiben wie „Fleximan sta arrivando“ („Fleximann ist im Kommen“). Inzwischen reicht die Spur der Zerstörung von Südtirol bis Kalabrien, sodass klar ist: Fleximan ist mehr als einer. Inzwischen sind ein halbes Dutzend Staatsanwaltschaften damit beschäftigt.

Viele Autofahrer verfolgen die Sache mit einer gewissen Grundsympathie. Das Gefühl, von Behörden ausgenommen zu werden, ist auch in Italien verbreitet. Nirgendwo in Europa gibt es so viele Radarfallen wie hier: mehr als 11 000. In Deutschland sind es „nur“ 4700. Außerorts gilt in der Regel Tempo 90, auf Schnellstraßen 110, auf Autobahnen 130. Kontrolliert wird verhältnismäßig streng. Auch deutsche Urlauber kennen das, wenn sie Post von der italienischen Polizei bekommen. Trotzdem ist die Zahl der Verkehrstoten höher als anderswo. 2022 waren es annähernd 3200.

Unbestritten ist, dass manche Gemeinden mit den „Autovelox“, wie Radarfallen auf Italienisch heißen, gutes Geld verdienen. Die Verbraucherschutzorganisation Codacons hat errechnet, dass die 20 größten Städte 2022 damit 75 Millionen Euro einnahmen. Allein Florenz verbuchtes 23 Millionen. Auch für das Städtchen Cavallino, tief im Süden, lohnte sich die Anschaffung einer Kamera: Die Einnahmen stiegen in einem Jahr von null auf drei Millionen.

Kein Wunder also, dass Fleximan von manchen als „Robin Hood der Autofahrer“ bejubelt wird. Allerdings gibt es auch gegenteilige Stimmen – wie die Journalistin Paola di Caro, deren Sohn zu Tode gefahren wurde: „Ich möchte nur, dass Fleximan einen einzigen Tag fühlt, was ich fühle, wenn ich Blumen dort niederlege, wo mein Sohn getötet wurde.“ Auch viele Experten empören sich über den Applaus für kriminelle Taten. Bei der Fahndung gab es indes noch keinen Durchbruch: Auf Bildern von Überwachungskameras sind meist nur schwarz vermummte Gestalten bei Nacht zu sehen.

Inzwischen hat sich die Sache zum Politikum entwickelt. Vor allem der rechtspopulistische Verkehrsminister Matteo Salvini profiliert sich als Fürsprecher vermeintlich ausgebeuteter Autofahrer. Der Vorsitzende der kleineren Regierungspartei Lega kündigte einen Erlass an, um die Zahl der Radarfallen zu beschränken. Salvini machte deutlich, dass er von Tempo 50 wenig hält. Die Zeitung „Repubblica“ erhob ihn daher zum Fleximan der Politik.

Der echte Fleximan fand indes neue Nachahmer. In Brescia entfernte ein Unbekannter in verkehrsberuhigten Zonen mehrere Schwellenpoller (ital.: dosso) von den Straßen. Er bekam gleich einen Namen verpasst: Dossoman.

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