Schwere Kriegswaffen bei Klette

von Redaktion

Großeinsatz bei Ex-RAF-Terroristin – Polizei findet Granate, Kalaschnikow und Munition

Berlin/Hannover – Für ihre Hausmitbewohner in Berlin-Kreuzberg war es am Mittwoch schon der zweite Schock: Erst erfuhren sie, dass ihre freundliche Nachbarin mit dem grauen Zopf eine seit mehr als 30 Jahre gesuchte RAF-Terroristin ist. Dann mussten die Bewohner des siebengeschossigen Mietshauses in der Sebastianstraße auf Anordnung der Polizei ihre Wohnungen verlassen – zu ihrer eigenen Sicherheit. Denn bei Daniela Klette, die mehr als 30 Jahre im Untergrund lebte, wurden „schwere Kriegswaffen“ entdeckt, so die Staatsanwaltschaft Verden. Darunter war laut „Bild“ auch eine Kalaschnikow.

Am Mittwochabend mussten auch einige Bewohner eines weiteren Hauses ihre Wohnungen verlassen. Die Straße war komplett gesperrt. Erst am frühen Donnerstagmorgen wurde die Sperrung aufgehoben. Bei der Durchsuchung der Wohnung von Klette wurden Waffen, Pistolenmagazine und Munition gefunden. Mittwochabend hatten Kriminaltechniker eine Granate aus dem Haus getragen, am Donnerstagmorgen wurde ein weiterer wohl gefährlicher Gegenstand herausgetragen und in ein Spezialfahrzeug verladen. Später folgte ein drittes Fundstück, wie dpa-Reporter beobachteten. Die Ermittler gaben zunächst nur wenige Informationen heraus, auch weil nach Klettes RAF-Komplizen Ernst-Volker Staub oder Burkhard Garweg weiter mit Hochdruck gefahndet wird. Ermittler vermuten sie auch in Berlin. In den Wohnungen der beiden Gesuchten könnten sich Waffen- und Sprengmittel befinden, warnten die Ermittler. Es könne davon eine Gefahr für die Bevölkerung ausgehen. Bürger werden gebeten, die Polizei bei der Fahndung zu unterstützen.

Die linksextremistische Vereinigung Rote Armee Fraktion (RAF) war über Jahrzehnte der Inbegriff von Terror und Mord im Westen des damals noch geteilten Deutschlands. Angehörige der Opfer kritisierten nach der Festnahme Klettes die Behörden. „Die Tatsache, dass eine RAF-Terroristin 20 Jahre vom Verfassungsschutz unentdeckt und unbehelligt mitten in Berlin leben kann, ist mir unheimlich“, sagte Jörg Schleyer der „Bild“. Diesen Umstand müsse die Politik untersuchen und über Konsequenzen „nachdenken“. Der 70-Jährige ist der jüngste Sohn des 1977 von der RAF ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer.

Warum wurde die Linksterroristin nicht früher aufgespürt? Der Podcast „Legion“ der Sender NDR und RBB entdeckte bereits im Dezember 2023 bei der Suche nach Klette eine Frau in Tanzgruppen in Berlin, die ihr täuschend ähnlich sah. Für den Podcast recherchierte Michael Colborne vom Recherchekollektiv „Bellingcat“ mithilfe einer Gesichtserkennungssoftware. Grundlage waren Fahndungsfotos der jungen Klette. Er habe nur 30 Minuten gebraucht, um zu bestimmen, dass die Fotos auf der Internetseite eines Berliner Capoeira-Studios mit hoher Wahrscheinlichkeit Daniela Klette zeigten, sagte Colborne. „Die Tatsache, dass jemand wie ich, der kein Deutsch spricht, so kurze Zeit brauchte, um eine Spur zu finden, die direkt zu Daniela Klette führte, lässt mich fragen, wie sie 30 Jahre lang den Strafverfolgungsbehörden entgehen konnte“, kritisierte der kanadische Journalist.

Das Landeskriminalamt Niedersachsen äußerte sich zunächst nicht zu einer möglichen Fahndung mit Gesichtserkennungssoftware und zur Frage, ob diese überhaupt rechtlich zulässig wäre. Die Datenschutz-Grundverordnung der EU verbietet es, biometrische Daten ohne explizite Einwilligung zu verarbeiten.

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