Mit Stil auf hoher See

von Redaktion

Klasse statt Masse auf Meer und Fluss: Wo historische Kreuzfahrtschiffe unterwegs sind

VON MATTHIAS BUSCH

Für Weltrekorde ist die „Wonder Of The Seas“ gut: Seit 2022 schippern auf dem mit 362 Metern Länge größten Kreuzfahrtschiff der Welt fast 7000 Passagiere in 2900 Kabinen auf 18 Decks vornehmlich durch die Karibik. 40 Restaurants, Cafés und Bars sowie ein riesiger Aqua-Park mit vier Pools, Surferwelle und drei Hochgeschwindigkeitswasserrutschen machen die Seefahrt lustig, aber keinesfalls charmant. Die Seefahrerromantik ist bei den Giganten der Ozeane längst über Bord gegangen, Wind und Wellen sind in den schwimmenden Vergnügungsparks nur noch Beiwerk. Doch wer sucht, findet auch heute noch Schiffe mit Seele, die die guten alten Kreuzfahrtzeiten beschwören, als die Lounge noch Salon hieß und die Passagiere zum Dinner in Abendrobe erschienen. Eine goldene Ära, die vor knapp 125 Jahren begann, als das erste allein für Kreuzfahrten gebaute Schiff, die „Prinzessin Victoria Luise“, in Hamburg vom Stapel lief. Der luxuriöse Dampfer bot 120 noble Kabinen mit zwei Zimmern und eigenem Bad.

Heute knüpft an diese Zeit allein die „Sea Cloud“ an, ein Viermaster, den Wall-Street-Broker Edward Hutton und seine vermögende Frau Marjorie 1931 als „Hussar II“ in der Krupp-Werft in Kiel bauen ließen. Die damals 948 000 Dollar teure Privatjacht, bis unter die Decke mit Marmor und Edelhölzern ausstaffiert, cruist nach einer bewegten Geschichte heute wieder als Luxus-Segler im Mittelmeer, im Atlantik und in der Karibik. Dabei schien das Schiff lange dem Verfall preisgegeben: Nach der Scheidung der Huttons 1935 wird Marjorie Alleineigentümerin der „Hussar“, die im Zweiten Weltkrieg von der US-Navy requiriert und als Aufklärungsschiff heruntergewirtschaftet wird. Mit Staatsmitteln lässt Marjorie die Bark wieder aufbauen, doch die hohen Unterhaltskosten zwingen sie schon 1952 zum Verkauf.

Neuer Eigner wird Rafael Trujillo, diktatorischer Herrscher der Dominikanischen Republik. Nach dessen Ermordung 1961 wird das Schiff zum Zankapfel verschiedener Besitzer, die mal Rechnungen nicht bezahlen, mal den Segler sogar stehlen. In Panama entdeckte 1978 der deutsche Kapitän Hartmut Paschburg zufällig den maroden Viermaster, begeisterte andere Kaufleute von seiner Vision, das Schiff wieder flottzumachen. In der Kieler Werft, in der es einst entstand, wurden 22 neue Kabinen eingebaut, die Einrichtung von acht Kabinen restaurierte man originalgetreu. Eine Zeitreise ist es, die man auf der „Sea Cloud“ unternehmen kann.

Mehr Auswahl haben Nostalgiker in küstennahen Gewässern und auf Flüssen. So tuckert die „MS Juno“, das weltweit älteste Schiff mit Übernachtungsmöglichkeit, seit 1874 in vier Tagen über den Göta-Kanal von Göteborg nach Stockholm. Liebevoll überholt, versetzt der denkmalgeschützte Kahn mit seinen Holzvertäfelungen, den Messingbeschlägen und den historischen Kabinen seine maximal 58 Passagiere auf der reizvollen Fahrt durch Südschweden in die Epoche der Jahrhundertwende.

Ein Erlebnis, das sich Reisenden auch auf dem Nil bietet – plus einer Prise aus „1001 Nacht“. Gleich drei historische Raddampfer sind auf dem längsten Fluss der Welt zu den Sehenswürdigkeiten des alten Ägypten unterwegs: die „SS Sudan“, die „SS Karim“ und die „SS Misr“. Wer den Traum hat, in die Atmosphäre des Kino-Hits „Tod auf dem Nil“ einzutauchen, bucht sich auf der 1921 gebauten Sudan ein. Und stellt fest, dass noch alles so ist wie in den 1978 mit Peter Ustinov und 2004 mit David Suchert als Hercule Poirot besetzten Streifen. Im restaurierten Originalzustand befindet sich selbst die Kabine, in der Agatha Christies Meisterdetektiv wohnte, und die sich ebenso reservieren lässt wie die anderen Schlafräume der Schauspieler. Auch die stilvolle Bar erkennen Fans sofort wieder. Bis der Raddampfer zur Filmkulisse wurde, beherbergte er reiche englische Touristen auf ihrem Weg von Kairo bzw. von Luxor nach Assuan. Eine geschichts-trächtige Strecke, befahren auch von der „SS Karim“ (1917 gebaut) und der „SS Misr“ (1918), die einst Ägyptens König Faruq (1920-1965) als schwimmender Palast diente und heute für Mövenpick Hotels & Resorts unterwegs ist. Entsprechend geschmackvoll im orientalisch-britischen Stil gestaltet zeigt sich das Schiff.

Klasse hat auch die „Hebridean Princess“, die nach ihrem Bau 1964 zunächst unter dem Namen „Columbia“ als profane Fähre für 50 Autos und 600 Passagiere zwischen den Inseln der Hebriden und Schottland im Einsatz war. Bis sie 1989 in ihr neues Leben als Luxus-Cruiser startete und von Queen Elizabeth II. sogar zwei Mal für einen Urlaub gechartert worden war. Nun können es sich 48 Passagiere in einem gediegenen Ambiente bequem machen und die herbe Schönheit der vor den Fenstern vorbeiziehenden Landschaft bewundern.

Im Gegensatz zu der vergleichsweise großen Zahl an historischen Zügen weltweit haben Klassikerfreunde bei Schiffen also wenig Auswahl. Klar, dass da die Passagen schnell ausgebucht sind – und ein Vermögen kosten.

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