Washington/Baltimore – Nach dem Einsturz einer vierspurigen Autobrücke in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland werden mehrere Menschen vermisst. In der Nacht hatte ein Containerschiff die mehr als 2,5 Kilometer lange Brücke gerammt, die daraufhin einstürzte. Die Polizei suchte am Dienstag aus der Luft und mit Tauchern im Wasser weiter nach Überlebenden. Zwei Menschen seien bereits gerettet worden, noch sechs würden vermisst, sagte der Verkehrsminister des Bundesstaats, Paul Wiedefeld, bei einer Pressekonferenz.
Kurz vor der folgenschweren Kollision hatte die Besatzung des Schiffes offiziellen Angaben nach ein Notsignal abgesetzt. Auf dem Schiff gab es ersten Erkenntnissen zufolge ein Problem mit dem Strom. Dank des Notsignals der Crew wären Beamte in der Lage gewesen, den Verkehr zu stoppen, damit nicht noch mehr Autos auf die Brücke gelangten. „Die vorläufige Untersuchung deutet auf einen Unfall hin“, sagte Marylands Gouverneur Wes Moore. Es gebe keine Hinweise auf einen Terroranschlag. Ein Ermittler der Bundespolizei FBI äußerte sich ähnlich. Weitere Informationen zur Unfallursache gab es zunächst nicht.
Man gehe davon aus, dass es sich bei den Opfern um Bauarbeiter handele, teilte Wiedefeld mit. Nach den Vermissten werde gesucht. Die Bauarbeiter auf der Brücke hatten wohl Schlaglöcher repariert, es habe sich nicht um Bauarbeiten an der Struktur der Brücke gehandelt. Ingenieure seien vor Ort, um den Zustand der Brücke und das Trümmerfeld zu untersuchen.
Neben Hilfe aus der Luft und vom Wasser aus wurde für die Rettungsaktion nach Angaben der Behörden auch Infrarot- und Sonar-Technologie eingesetzt. Auf diese Weise seien fünf Fahrzeuge unter Wasser identifiziert worden, darunter drei Autos und ein Betonmischer. Ob sich in den Fahrzeugen Menschen befanden, teilten die Behörden zunächst nicht mit.
Gegen 1.40 Uhr (Ortszeit) waren erste Notrufe eingegangen. Bereits um 1.50 Uhr seien Einsatzkräfte vor Ort gewesen. Auf Videos einer Überwachungskamera, die im Netz verbreitet wurden, war zu sehen, wie das Schiff einen der Stützpfeiler rammte und daraufhin sofort große Teile der Brücke ins Wasser stürzten.
US-Medien berichteten unter Berufung auf einen örtlichen Behördenmitarbeiter, dass das Wasser an der Stelle rund 15 Meter tief sei und es starke Strömungen gebe. Die Wassertemperatur lag am frühen Morgen bei etwas unter zehn Grad. Er mache sich keine Hoffnungen für die Menschen, die ins Wasser gestürzt sein könnten, sagte ein Trucker, der die Brücke regelmäßig passiert, dem Sender CBS News. Das Wasser sei um diese Jahreszeit unfassbar kalt. „Das ist wie bei der Titanic.“
Mit dem Sonnenaufgang wurde das Ausmaß des Kollapses erst richtig deutlich. Die Bogenstreben der Brücke, die als Teil der überregionalen Verkehrsader Interstate 695 den Hafen der Ostküsten-Metropole überspannte, ragten gerippeartig aus dem Wasser. Eine CBS-Reporterin vor Ort berichtete sichtlich geschockt, die Brücke sei „im Prinzip komplett verschwunden“. Bei der Brücke handelt es sich um die Francis Scott Key Bridge, die über den Patapsco River führt. Sie nach dem Autor der US-Nationalhymne „The Star-Spangled Banner“ benannt und wurde 1977 eröffnet.
Auf dem Schiff selbst gebe es keine Verletzten, berichtete die „New York Times“. Das knapp 290 Meter lange Schiff mit dem Namen „Dali“ sollte unter der Flagge Singapurs nach Sri Lanka fahren, berichteten die Zeitung unter Berufung auf die Küstenwache.
Das Brückenunglück wird offenbar auch wirtschaftliche Folgen haben. Man stelle sich wegen der Bedeutung des dahinter liegenden Hafens auf Lieferkettenprobleme ein, „von denen wir wissen, dass sie kommen werden“, sagte US-Verkehrsminister Pete Buttigieg am Dienstagnachmittag (Ortszeit). Diese beträfen „die gesamte US-Wirtschaft“. Der Schiffsverkehr wurde vorerst ausgesetzt.
Laut US-Präsident Joe Biden handelt es sich um eine der wichtigsten maritimen Anlaufstellen der USA, insbesondere für den Import und Export von Autos und Kleinlastern. Demnach werden rund 850 000 Fahrzeuge pro Jahr über den Hafen verschifft. Rund 15 000 Arbeitsplätze hängen davon ab.