Tote bei starkem Erdbeben in Taiwan

von Redaktion

Häuser und Fabrikhallen eingestürzt – Zwei Deutsche aus Straßentunnel befreit

VON JOHANNES NEUDECKER UND YU-TZU CHIU

Taipeh – Gespenstisch neigt sich das mehrstöckige Wohnhaus in Hualien im Osten Taiwans zur Straße. Jeden Moment könnte es umkippen. Ein schweres Erdbeben hat gestern Morgen (Ortszeit) an vielen Orten der ostasiatischen Insel ein Bild der Verwüstung hinterlassen. Es gibt Tote, Verletzte und völlig zerstörte Autos und Gebäude. Zwei Deutsche waren zeitweilig in einem Tunnel eingeschlossen. Stunden nach dem Beben liegt die Zahl der Toten bei mindestens neun. Es wird damit gerechnet, dass die Opferzahl weiter steigt.

Um kurz vor 8 Uhr hatte ein Erdbeben die gesamte Insel erschüttert. Es hatte laut taiwanischen Angaben eine Stärke von 7,2 und war das stärkste seit fast 25 Jahren. Sein Epizentrum lag nur wenige Kilometer von Hualien entfernt. Die US-Erdbebenwarte registrierte eine Stärke von 7,4. In Japan wurde sogar die Stärke 7,7 gemessen. Allein um Hualien werden 100 Nachbeben registriert. Am frühen Abend (Ortszeit) sprachen die Behörden von neun Toten und mehr als 900 Verletzten. Dutzende galten noch als eingeschlossen in Tunneln und Gebäuden. Die beiden Deutschen wurden später aus dem Tunnel im Taroko-Nationalpark befreit.

„Noch nie habe ich so ein Erdbeben gespürt“, sagt ein Bewohner Hualiens. Der Mann befand sich nach eigenen Worten im Büro, als die Erde zu beben begann. Einige seiner Kollegen hätten versucht, sich gegen Wände zu lehnen und nichts zu tun. In dem 54-Jährigen wurden Erinnerungen wach: „Ich dachte an die schreckliche Erfahrung des großen Bebens von 1999.“ Damals hatte mitten in Taiwan ein Beben der Stärke 7,3 heftige Zerstörung angerichtet. Es gab mehr als 2400 Todesopfer.

Taiwan liegt am Rand zweier tektonischer Platten: der Eurasischen und der Philippinischen. Die Insel mit mehr als 23 Millionen Einwohnern ist deshalb sehr durch Erdbeben gefährdet. Laut Augenzeugen war das Beben auch in und um die Hauptstadt Taipeh deutlich zu spüren. Beim Einsturz eines Lagerhauses wurden drei Menschen verletzt. In Häusern und Wohnungen gingen Einrichtungsgegenstände und Geschirr zu Bruch. Mehrere große Städte stellten den öffentlichen Nahverkehr auf der Schiene zeitweilig ein. Auch der Schnellzugverkehr wurde vorübergehend unterbrochen. In zehntausenden Haushalten fiel der Strom aus.

Über mehrere Stunden warnten Taiwan, China, Japan und die Philippinen vor Tsunamis. Später wurden die Warnungen zunächst gelockert und dann aufgehoben. In China, das Taiwan als abtrünnige Provinz betrachtet, war das Erbeben Hauptthema in den Medien. Peking sei bereit, Katastrophenhilfe anzubieten. Ob Taiwan die Hilfe Chinas annehmen wird, blieb offen. Das Beben hatte auch Auswirkungen auf die Wirtschaft: Taiwans wichtiger Halbleiter-Hersteller TSMC etwa hielt die Produktion an, wie die Behörde des Industrieparks der Stadt Hsinchu mitteilte. Die Firma evakuierte laut Berichten Arbeiter während des Bebens aus der Produktion. Auch andere Betriebe stoppten die Arbeit vorübergehend.

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