Der 34-jährige Palästinenser Ibrahim A. muss nach den Messer-Morden lebenslang in Haft. © Brandt/dpa
Itzehoe – Im Prozess um die tödliche Messerattacke im schleswig-holsteinischen Brokstedt hat das Landgericht Itzehoe den Angeklagten Ibrahim A. wegen Mordes und versuchten Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Kammer sah es als erwiesen an, dass der 34-Jährige im Januar 2023 in einem Regionalzug zwei Menschen erstochen und vier schwer verletzt hat. Zudem stellte die Große Strafkammer am Mittwoch die Schwere der Schuld fest, was bedeutet, dass eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung nach 15 Jahren praktisch ausgeschlossen ist. Das Gericht folgte mit seinem Urteil der Strafforderung der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte dagegen für die Unterbringung seines Mandanten in der forensischen Psychiatrie plädiert.
In dem mehr als zehn Monate langen Prozess mit 38 Verhandlungstagen und 97 Zeugen sowie Gutachtern war es auch um die Frage gegangen, ob der Angeklagte schuldfähig ist. Der Verteidiger hält den 34-Jährigen aufgrund einer psychotischen Störung für nicht schuldfähig und verlangt die Einweisung in eine forensische Psychiatrie.
Ein psychiatrischer Sachverständiger hatte in dem Verfahren das Vorliegen einer Psychose bei Ibrahim A. verneint. Er sei voll schuldfähig. Er sehe psychotische Symptome, aber keine Psychose, hatte der Gutachter Arno Deister gesagt. Es liege eine schwere posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) vor. Der Vorsitzende Richter Johann Lohmann hat bereits erklärt, dass die Kammer von einer PTBS des Angeklagten zur Tatzeit, nicht jedoch von einer Psychose ausgeht.
Ibrahim A. bestritt am Anfang der Verhandlung im Juli 2023 die Tat zunächst, räumte sie später aber ein. Den Erkenntnissen zufolge zog er am Nachmittag des 25. Januar 2023 in dem Zug bei Brokstedt ein Küchenmesser und stach damit auf Fahrgäste ein.
Eine 17-Jährige und ihr zwei Jahre älterer Freund starben. Drei Menschen wurden schwer bis lebensgefährlich verletzt: ein 62 Jahre alter Mann, Mitarbeiter der DB Fahrzeuginstandhaltung Neumünster, eine 54 Jahre alte Frau aus Schleswig-Holstein und eine 27 Jahre alte Frau aus Hamburg. Zwei weitere jeweils 22 Jahre alte Verletzte aus Schleswig-Holstein hatten das Krankenhaus bald wieder verlassen können. Die 54 Jahre alte Frau – die wie die beiden anderen Schwerverletzten nach dem Attentat in ein künstliches Koma versetzt worden war – beging Mitte Juni 2023 Suizid.
Michael K., der Vater von Ann-Marie K., warf der Politik zu große Nachsicht im Umgang mit mehrfach straffälligen Migranten vor. Er äußerte sich gegenüber dem Spiegel: „Es muss eine Aufarbeitung geben, meine Tochter ist nicht nur ein bedauerlicher Einzelfall. Da läuft etwas grundsätzlich schief bei uns im Land.“ Mit straffälligen Migranten würde zu nachlässig umgegangen. Die Tat beschäftigte auch die Politik, weil es Versäumnisse beim Austausch von Informationen zwischen Behörden gegeben hatte.
Ibrahim A. war im Gazastreifen aufgewachsen und den Erkenntnissen zufolge 2014 nach Deutschland gekommen. Er lebte zunächst in Nordrhein-Westfalen und zog später nach Kiel. Bis wenige Tage vor der Tat hatte der Angeklagte wegen einer anderen Tat in Hamburg in Untersuchungshaft gesessen. Dort und später in der Untersuchungshaft in Schleswig-Holstein war er als renitent aufgefallen.