Aus dem Flieger ins Krankenhaus

von Redaktion

Schon wieder Verletzte durch Turbulenzen – Zunahme durch Klimawandel

Rettungskräfte warten auf die verletzten Passagiere. © dpa

Szenen aus der Singapore-Airlines-Maschine.

Singapur/Reading – Es klingt wie der Albtraum eines jeden Passagiers: Ein Flugzeug kommt in Turbulenzen, Reisende knallen mit den Köpfen gegen die Gepäckfächer. Die Meldungen häufen sich. Am Sonntag erst geriet wieder eine Passagiermaschine, die von Doha in Richtung Dublin unterwegs war, über der Türkei in Turbulenzen. Acht Menschen wurden verletzt und mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Passagiere berichteten von einem plötzlichen Absacken des Flugzeugs, das etwa 20 Sekunden lang angedauert haben soll. Zu dieser Zeit seien Mahlzeiten ausgeteilt worden. Die Crew-Mitarbeiter seien buchstäblich in die Luft abgehoben, sagte ein Mann dem irischen Sender RTÉ. Andere berichteten von Panik und Chaos in der Kabine. Überall sei Essen herumgeflogen.

Erst in der vergangenen Woche war eine Maschine von Singapore Airlines auf dem Weg von London-Heathrow nach Singapur in schwere Turbulenzen geraten. Ein Mann starb, dutzende Menschen wurden verletzt, einige von ihnen schwer.

Turbulenzen – oft auch nicht ganz korrekt „Luftlöcher“ genannt – entstehen durch Böen, die sich von oben nach unten oder von unten nach oben bewegen. Sie verändern die Anströmung der Tragflächen und damit den Auftrieb. Das Flugzeug sackt ab oder zieht ruckartig hoch.

Im vergangenen Jahr haben Wissenschaftler der englischen Universität Reading einen Zusammenhang zwischen der Zunahme unsichtbarer Klarluft-Turbulenzen und dem Klimawandel nachgewiesen. An einem typischen Punkt über dem Nordatlantik maßen sie eine Zunahme des Phänomens um 55 Prozent im Zeitraum zwischen 1979 und 2020. Auch auf anderen Flugrouten gebe es mehr Turbulenzen als vor einigen Jahren.

„Wenn wir mit Supercomputern eine Zukunft simulieren, in der die CO2-Menge in der Atmosphäre doppelt so hoch ist wie in der vorindustriellen Zeit, dann sehen wir etwa doppelt oder sogar dreimal so viele schwere Klarluftturbulenzen“, sagte Co-Autor Paul Williams. Williams erklärte, in Reiseflughöhe erwärme der Klimawandel das Gebiet südlich des Jetstreams stärker als das Gebiet nördlich davon. Der größere Temperaturunterschied führe zu schärferen Änderungen der Windrichtung und somit zu mehr Turbulenzen.

Die Piloten erhalten mit ihren Flugplänen grobe Hinweise und Vorhersagen auf mögliche Turbulenzgebiete. Exakte Prognosen der Klarluft-Turbulenzen seien aber nicht möglich, während man solche an Gewittern sehr gut erkennen könne, berichtet ein erfahrener Pilot aus der Vereinigung Cockpit. Kurzfristige exakte Warnungen seien nur möglich, wenn die Crews voran fliegender Maschinen die Flugsicherung informiert haben. Diese geben die Informationen natürlich weiter, sagte ein Sprecher der Deutschen Flugsicherung. Das Problem sei allerdings, dass sich die Luftmassen ständig veränderten.

Grundsätzlich seien die Flugzeuge baulich stabil genug, um die Kräfte auszuhalten, erklärte der VC-Experte. Diese entstehen, wenn sich Luftmassen in unterschiedliche Richtungen bewegen. Bei einer starken Abwärtsströmung könne die Flughöhe des Flugzeugs temporär nicht mehr aufrechterhalten werden. „Das Flugzeug fällt aber nicht, sondern bewegt sich nach unten.“

Wenn Hinweise auf starke Turbulenzen vorliegen, versuchen die Piloten, das entsprechende Gebiet zu umfliegen, was bei typischerweise dichten und hohen Wolken in den Tropen aber nicht immer möglich ist. „Schnallen Sie sich auf keinen Fall ab“, rät der VC-Pilot den Passagieren als wichtigste Schutzmaßnahme bei unvorhergesehenen Turbulenzen. „Das ist wie mit einem Auto mit 900 km/h durch ein Schlagloch zu fahren.“ Die Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter seien angewiesen, sich bei starken Turbulenzen sofort hinzusetzen, um nicht durch das Flugzeug geschleudert zu werden.

„Es sollte nie auf die leichte Schulter genommen werden, wenn Fluggesellschaften empfehlen, den Sicherheitsgurt während des gesamten Fluges locker anzulegen, sagt Luftfahrtexperte John Strickland.

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