Baby-Boom durch Ozempic?

von Redaktion

Frauen berichten von unerwarteten Schwangerschaften während Diabetes-Therapie

Bonn/Berlin – In Sozialen Medien berichten immer mehr Frauen von unerwarteten Schwangerschaften als Folge einer Ozempic-Therapie. Während dieser Trend zunächst nur in den USA zu beobachten war, melden sich einem Artikel der „Zeit“ zufolge nun auch deutsche Frauen als Betroffene dieser überraschenden Nebenwirkung des Diabetesmedikaments. Andrea (43) schreibt zum Beispiel auf einem Online-Forum für Frauen mit Kinderwunsch, dass sie sich nach zahlreichen Arztbesuchen, Tests und Enttäuschungen bereits damit abgefunden hatte, keine Kinder mehr zu bekommen. Doch mit 43 freute sich Andrea, die aufgrund ihres Diabetes Ozempic einnahm, doch noch über einen positiven Schwangerschaftstest.

Ähnliche Erfahrungen machen wohl viele Frauen, die das Medikament nehmen. Dem „Zeit“-Bericht zufolge sind ein Großteil der Betroffenen bereits Ende 30 oder Anfang 40. Einige hatten vor ihrer überraschenden Ozempic-Schwangerschaft sogar geglaubt, sie seien unfruchtbar. Nun rätseln Forscher, ob es sich bei diesem Phänomen um einen Zufall handelt oder Ozempic wirklich Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit hat.

Ozempic ist ein injizierbares Medikament, das zur Behandlung von Typ-2-Diabetes eingesetzt wird. Internationale Schlagzeilen machte es als „Schlankheitsspritze“, die die Kilos purzeln lässt. Bei etlichen Hollywood-Stars wie Oprah Winfrey, Kim Kardashian oder Jessica Simpson wird spekuliert, dass sie mithilfe von Ozempic abgenommen haben. Menschen, die das Medikament regelmäßig einnehmen, können bis zu 17 Prozent ihres Körpergewichts verlieren. Ozempic enthält nämlich das Antidiabetikum Semaglutid, das nicht nur gegen Insulinresistenz, sondern auch auf die Appetitkontrolle und das Sättigungsgefühl wirkt.

Ob Semaglutid eine Auswirkung auf die Fertilität hat, ist noch nicht bekannt. In Studien hat sich dem Ozempic-Hersteller Novo Nordisk zufolge keine erhöhte Fruchtbarkeit der Teilnehmerinnen gezeigt. Dennoch ist ein indirekter Zusammenhang zwischen der Abnehmdroge und den unerwarteten Schwangerschaften möglich: „Je schwerer übergewichtig eine Frau ist, desto höher ist ihr Risiko, dass sie nicht schwanger werden kann“, zitiert die „Apotheken Umschau“ Nicole Sänger, Direktorin der Klinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am Universitätsklinikum Bonn. Nimmt eine Frau also mithilfe von Ozempic stark ab, erhöht sie ihre Chance, schwanger zu werden.

„Es ist möglich und sogar plausibel, dass Semaglutid, weil es bei adipösen Menschen Gewichtsverlust verursacht, ihre Fruchtbarkeit verbessert“, sagte Nerys Astbury von der Universität Oxford gegenüber „Zeit“. Eine Gewichtsabnahme von nur fünf bis zehn Prozent des Körpergewichts führe demnach bereits zu einem regelmäßigeren Zyklus und erhöhe damit die Chancen auf eine Schwangerschaft.

Neben Ozempic hat der dänische Pharmariese Novo Nordisk auch das Medikament Wegovy auf den Markt gebracht, das denselben Wirkstoff wie Ozempic in anderer Dosierung enthält und von US-Behörden konkret zur Behandlung von Fettleibigkeit zugelassen wurde. Zu den häufigsten Nebenwirkungen der beiden Mittel zählen laut der Zulassungsbehörde der Europäischen Union Übelkeit, Durchfall und Erbrechen. Meist sind diese Reaktionen jedoch lediglich leicht oder moderat ausgeprägt und nehmen mit der Zeit ab. Der Präsident des Bundesverbands Deutscher Ernährungsmediziner, Johannes Wechsler, bleibt dennoch skeptisch: „Wir wissen noch nicht, welche Nebenwirkungen möglicherweise erst nach einiger Zeit auftreten.“

Wer die Spritzen als „Wundermittel“ sehe, solle demnach vorsichtig und sich bewusst sein, dass das Medikament noch verhältnismäßig unerforscht ist.

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