In Worms ist eine 15-Jährige Opfer eines Ehrenmordes geworden. Ihre Eltern sind in U-Haft. © Michael Deines/dpa
Hamburg – Gewalt im Namen der Ehre: Mindestens 26 Menschen sind in Deutschland in den Jahren 2022 und 2023 Opfer versuchter oder vollendeter sogenannter „Ehrenmorde“ geworden. Zwölf von ihnen starben. Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes in Hamburg, die eine Studie zu dieser Form von Gewalt veröffentlicht hat und für die Zählung Presseberichte über Urteile oder laufende Verfahren auswertete, geht außerdem von einer hohen Dunkelziffer aus.
Dem Bericht von Terre des Femmes zufolge handelt es sich bei zehn der zwölf Todesopfer um Frauen. Die „Ehrverletzung“, die zu den Morden führte, bestand dabei in Verstößen gegen auferlegte Verhaltensnormen im Hinblick auf die weibliche Sexualität und die soziale Stellung der Frau. Bei den männlichen Opfern handele es sich meist um die Partner von Frauen, die von deren Familien nicht akzeptiert wurden.
„Besonders schockierend ist, dass es in nahezu allen Fällen bereits im Vorfeld der Tat (regelmäßige) Gewaltvorfälle in der Beziehung oder in der Familie gab“, so Terre des Femmes. „Die Recherche zeigt wieder einmal deutlich: Ein freies und selbstbestimmtes Leben ist für viele Frauen auch in Deutschland immer noch keine Selbstverständlichkeit.“
Einem „Ehrenmord“ zum Opfer fiel wohl auch die 15-jährige Afghanin, die gestern im rheinland-pfälzischen Worms tot am Rheinufer gefunden wurde (wir berichteten). Die Obduktion habe ergeben, dass das Mädchen durch Ertrinken starb, teilte das Polizeipräsidium Mainz gestern mit. Als dringend tatverdächtig gelten die Eltern des Mädchens. Die beiden Beschuldigten seien am Dienstag einem Ermittlungsrichter vorgeführt worden, der wegen des Verdachts des Totschlags Untersuchungshaft gegen sie angeordnet habe, gaben das Polizeipräsidium und die Staatsanwaltschaft Mainz bekannt.
Es bestehe der Verdacht, dass die Beschuldigten sich zur Tötung ihrer Tochter entschlossen hätten, „weil sie mit deren Lebenswandel nicht einverstanden waren“, hieß es. Die beiden wurden den Angaben zufolge in unterschiedlichen Justizvollzugsanstalten untergebracht.
Ob der Fundort der Leiche auch der Tatort sei, sei weiterhin Gegenstand der Ermittlungen, so die Polizei. Konkrete Anhaltspunkte, dass sich der Tatort nicht im Bereich des Fundortes befindet, lägen aber nicht vor. Beide Beschuldigten hätten sich gegenüber der Polizei zu dem Tatvorwurf eingelassen. Dazu könne aber wegen der laufenden Ermittlungen nichts mitgeteilt werden.
Dies ist bereits der zweite „Ehrenmord“, der innerhalb der letzten sechs Monate in Deutschland verübt wurde: Ein 24-Jähriger, der seine Schwester Ende Dezember 2023 erstochen hatte, wurde Anfang Juni wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Der Angeklagte habe aus niedrigem Beweggrund gehandelt, sagte die Vorsitzende Richterin am Landgericht Bremen.
Der Angeklagte habe gedacht, er müsse seine Schwester umbringen, um seine Ehre und die Familienehre wiederherzustellen, so die Richterin. Den Begriff „Ehrenmord“ bezeichnete sie jedoch als unpassend, weil er ein ehrenhaftes Motiv suggeriere. Treffender sei „Kontrollmord“. Auch handle es sich um einen sogenannten Femizid, das heißt, das Opfer sei getötet worden, weil es eine Frau war.