Schon tausend tote Wölfe

von Redaktion

Leibniz-Institut: Jeder zehnte wurde illegal abgeschossen

Vor etwa 25 Jahren kamen die Wölfe zurück nach Deutschland. Seitdem starben mindestens 1000 von ihnen mal durch Autos, mal durch Kugeln. © Gabbert/dpa

Berlin – Obwohl Wölfe als streng geschützte Art in Deutschland nicht bejagt werden dürfen, schießen immer wieder Menschen verbotenerweise auf diese Raubtiere. Eine Untersuchung von 1000 toten Wölfen ergab, dass etwa jeder zehnte davon illegal geschossen wurde. Die mit Abstand häufigste Todesursache seien aber Verkehrsunfälle, erklärt das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) in Berlin.

Seit dem Jahr 2006 obduziert das Leibniz-IZW nahezu alle tot aufgefundenen Wölfe in Deutschland. Untersucht werden Todesursache, Gesundheitszustand und auch Mageninhalt der Tiere. Seit einigen Monaten werden allerdings so viele tote Wölfe gemeldet, dass nur noch etwa jedes zweite Tier in die Wildtierpathologie gebracht wird.

Zahlreiche Welpen

Vor Kurzem lag der 1000. tote Wolf auf dem Seziertisch der Fachleute. Es handelte sich um eine Wölfin, die mit sechs Welpen trächtig war. Das stehe sinnbildlich für die erfolgreiche Fortpflanzung der Tiere, erklärt Heribert Hofer, Direktor des Leibniz-IZW. Seit fast einem Vierteljahrhundert gibt es in Deutschland wieder Wolfswelpen.

Beim jüngsten Wolfsmonitoring wurden mehr als 1339 Wölfe in Deutschland nachgewiesen, verteilt über fast alle Bundesländer, mit Schwerpunkten in Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Auch die Totfunde stammen aus den verschiedensten Teilen Deutschlands.

Die tote Wölfin, also der 1000. Fall, starb bei einem Verkehrsunfall. „Unsere Daten zeigen, dass rund drei Viertel der toten Wölfe an einer Kollision im Verkehr sterben – zumeist mit Autos auf Landstraßen oder Autobahnen“, sagt die verantwortliche Pathologin Claudia Szentiks.

Marie Neuwald, Referentin Wolf beim Naturschutzbund Nabu, merkt an, dass der Straßenverkehr zwar eine Gefahr darstelle, aber den Wolfsbestand nicht massiv einschränke. Auch gebe es durchaus noch andere Todesursachen, die aber im Totfund-Monitoring nicht so häufig auftauchten. „Die Wölfe, die an anderen Ursachen sterben wie Krankheiten und Auseinandersetzungen mit anderen Wölfen, werden eher nicht gefunden, denn sie legen sich nicht auf einen Waldweg, um zu sterben.“

Einige Wölfe, das zeigt sich im Leibniz-IZW, sterben auch durch Magen-Darm-Risse, etwa durch spitze Knochen in der Nahrung. Manchmal wurden ihnen auch Verletzungen von potenziellen Beutetieren zugefügt, etwa von Wildschweinen. „Wölfe haben hierzulande zwar keine natürlichen Feinde“, erklärt Neuwald, „aber es gibt kein unkontrolliertes Wachstum des Bestandes, die Wölfe sind trotzdem Risiken und Gefahren ausgesetzt.“

Hauptnahrung: Rehe und Wildschweine

Analysen des Senckenberg Museums für Naturkunde Görlitz (SMNG) haben ergeben, dass die Wölfe sich überwiegend von Rehen, Wildschweinen, Rothirschen und Damhirschen ernähren. Das macht 90 Prozent ihrer Nahrung aus. Im Magen der toten, trächtigen Wölfin wurde hingegen eine Nutria gefunden, also ein aus Südamerika stammendes Nagetier.

Immer wieder reißen Wölfe auch Schafe oder Ziegen. Diese Weidetiere machten aber nur 1,6 Prozent der Nahrung aus, sagt Hofer. „Im Beutespektrum des Wolfes ist das fast vernachlässigbar, aber für die Weidehalter ist es überhaupt nicht vernachlässigbar.“ Die Schafbesitzer müssten ernst genommen werden. „Wir müssen ihnen großzügig die Möglichkeit geben, ihre Tiere zu schützen, etwa mit Zäunen, und sie großzügig entschädigen, schnell und unbürokratisch. Das ist eine wichtige Sache.“ Nabu-Fachfrau Neuwald meint, vor allem bessere Zäune könnten gut gegen Wolfsrisse helfen. Wölfe zum Abschuss freizugeben, sei hingegen keine geeignete Maßnahme. Schließlich seien die Nutztiere vor allem nachts alleine auf der Weide – entwickelten Wölfe Angst vor Menschen mit Gewehren, nütze das den Schafen und Ziegen in der Nacht wenig.

Wölfe im Visier

Derzeit ist das absichtliche Stören, Fangen oder Töten von Wölfen verboten. Trotzdem sei jeder zehnte eingelieferte Todfund auf ihrem Tisch illegal geschossen worden, erklärt die Veterinärpathologin Szentiks. „Tatsächlich finden wir sogar in 13,5 Prozent aller untersuchten Wölfe Hinweise auf eine Straftat wie zum Beispiel den illegalen Beschuss, wobei die Tiere nicht immer daran sterben.“

Viel geringer ist die Zahl der legal getöteten Wölfe, etwa weil sie sich Menschen gegenüber auffällig verhalten. „Insgesamt 17 Wölfe wurden im Rahmen von Managementmaßnahmen der Bundesländer entnommen“, heißt es vom Bundesamt für Naturschutz in Bezug auf die gesamte Zeit seit 1990.

Der vorsätzliche Abschuss eines Wolfes ist in Deutschland eine Straftat und wird mit Geldstrafe oder mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet. Finden die Tierpathologen bei der Untersuchung im Computertomografen etwas, geben sie die Bilder und Kugelteile an die Staatsanwaltschaft weiter. Eine Verurteilung habe es seines Wissens daraufhin aber noch nicht gegeben, erklärt Hofer. „Es gibt in Deutschland auch nur wenige Schwerpunkt-Ermittlungseinheiten gegen Umweltkriminalität.“
DOREEN GARUD

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